Der schmale Grat zwischen Kultur- und Geschäftsmagazin…
1995 zogen der Kunstmaler und Offsetdrucker Christian Dumitru und der Kaufmann Bernd Bredendiek durch die Straßen der Region Neuburg und hatten beide keine Lust darauf, sich von irgendjemand anstellen oder beschäftigen zu lassen. Ich selbst war 30 und voller Tatendrang, Mut und Entschlossenheit. Schließlich hatten Christian und ich schon seit Jahren eine Werbeagentur auf die Beine gestellt und erfolgreich die Zeitschrift PINK in unserer Region betreut und damit auch vernünftig Geld verdient. Die Rolle des Befehlsempfänger lag uns beiden nicht – uns so machten sich Christian und ich auf den Weg, genügend Unterstützer und Inserenten für die Erstausgabe unserer Brennessel zusammenzutrommeln.
Die erste Ausgabe…
Die war nicht schwer. Christian Dumitru war anerkannter Kunstmaler, geschäftlich hartnäckig und ein begnadeter Designer, was uns bei der Umsetzung unseres Magazins gehörig Erfolg ebnete; und ich war wild entschlossen, hatte ein loses Mundwerk und feuerte in die Tasten des PC’s in sekundenschnelle Artikel und PR-Texte heraus, die dann ein überzeugendes Bild ergaben. Für die erste Ausgabe bekamen wir einen Umsatz von 12000 D-Mark zusammen und konnten 24+4 Seiten Magazin veröffentlichen; das Ganze natürlich in schwarz-weiß mit buntem Umschlag wegen den Kosten. Damals war der Offsetdruck mehrfarbig noch schier unbezahlbar und auch das Desktop-Publishing funktionierte nicht über den Computer, sondern über Lithographie mit Folie und Uhu… Als die erste Ausgabe mit einer Auflage von 5000 Stück geschafft war, wussten wir, jetzt ist uns ein Meilenstein gelungen… – und so feierten wir, wie so oft, nahezu täglich… – im alten Streidl – Prost!
Ausgabe für Ausgabe – mit Mut und Wut
In der Anfangszeit war Pionierstimmung und es wurde Kunde für Kunde akquiriert. Vor allem auf dem Lande überzeugten wir viele Handwerksbetriebe mitzumachen. Diese fanden in der Brennessel ein Sprachrohr und wir boten Platz und Gestaltung für deren geschäftlichen Gewerke und stellten diese Betriebe mit PR-Artikeln vor. Zugleich kümmerte sich die Brennessel auch um heikle Themen wie etwa der Errichtung des Südparks und bietet bis heute Kulturevents eine Plattform. Nicht umsonst wird die Brennessel als Kulturmagazin für die gesamte Region verstanden. Größte Aufmerksamkeit kommt demnach der Veröffentlichung des aktuellen Veranstaltungskalenders zu. So reihte sich in den ersten Jahren Ausgabe an Ausgabe, die wir immer mit Innovation und Stolz auf den Markt brachten.
Print und Digital = Herausforderung!
Mit der Einführung und Forcierung der digitalen Welt Anfang des neuen Jahrtausend änderte sich zunehmen das Geschäftsmodell der Brennessel. Kombiprodukte aus Print- und Web-Inserat wurden angeboten, Brennessel Online brachte täglich News und News Regional und stellte jede der Print-Ausgaben sogleich nach Erscheinen Online. Wer jetzt meint, dass damit mehr Geld verdient werden konnte, der muss sich getäuscht sehen. Es entstand viel eher eine Umsatzverlagerung mit einem stetigen Rückgang im gedruckten Bereich. Zeitgleich in dieser Zeit ab 2000… fand ein Druckereisterben sondersgleichen statt und die Printerzeugnisse kamen aus aller Herren Länder zu Spottpreisen – da konnte einem schon Angst werden wie rasant diese Entwicklung Fahrt aufnahm. Heute diskutieren wir über die Abschaffung von Papier als Werbeträger und versuchen postalisch via E-Mail das Verwenden von Papier gänzlich vermeiden.
Brennessel wehrt sich…
Als mich Christian Dumitru bat diesen Artikel zu schreiben, da ich ja der Mitarbeiter der ersten Stunde war, da wollte ich schon absagen. Schließlich bin ich schon längst raus und schreibe höchstens noch ein paar Gedichte oder fummele an einer Roman-Idee herum. Auch aus den (a)-sozialen Medien habe ich mich gänzlich verabschiedet, da ich diesen ganzen Wust an Hetze und Desinformation nicht ertragen kann. Doch kam ich nach reiflichem Überlegen zu dem Schluss, dass ich nun, nach 30 Jahren, vielleicht doch noch etwas aus dieser gesamten Schaffenszeit herausarbeiten kann, dass mir nun mit 60 (?!?!) zur individuellen Zufriedenheit gereichen könnte. Was hat dieses Magazin über die gesamte Zeit alles weggesteckt? Schließlich wurde Brennessel einige Male verklagt wegen angeblichem Ideendiebstahl (so eine Abmahnung kostet bis zu 10000 Euro)… Da gibt es Abmahnbüros, die von erfolglosen Rechtsanwälten betrieben werden, die sich darauf spezialisiert haben, jeden abzumahnen, der eventuell einen Anlass dazu gegeben hatte… – einfach widerlich. All das, und noch viel mehr, hat die Brennessel bis heute überstanden. Genauso wie die Mitarbeiter-Fluktuation, sowohl im redaktionellen Bereich oder im Anzeigensektor oder bei der Zustellung des Magazins. Das Magazin wird bis heute von einem Team verteilt, dass sich in der gesamten Region befindet.
Die Brennessel-Kundschaft
Die wahren Pioniere und Erfolgsgaranten sind die Brennessel-Kunden. Ob die Kundschaft jetzt aus dem kulturellen Sektor kommt oder aus dem institutionellen Bereich, ob aus dem Handwerk oder dem Handel, allesamt haben die Brennessel-Philosophie verstanden und unterstützt. Zudem kann über die Brennessel jedes geschäftliche Vorhaben gepusht werden und gleichzeitig profitiert die Kundschaft noch von der digitalen Plattform oder von den gestalterischen Ideen der Werbeagentur. Bis heute haben viele viele Kunden von dem Brennessel-Angebot Gebrauch gemacht – und sicherlich haben diese damit Erfolg gehabt.
Der ganz große Erfolg…
blieb aus! Ich selbst habe 5-6 Jahre für die Werbeagentur in Vollzeit und ca. 15 Jahre aus Leidenschaft nebenher als sogenannte steuerliche „Liebelei“ mitgearbeitet. Doch weiß ich um die Bodenständigkeit und um die Bescheidenheit des Inhabers Christian Dumitru, der nur eines im Kopf hat…, im nächsten Monat die nächste Brennessel herauszubringen. Wenn ich an die ganzen Projekte denke, die neben dem Magazin entstanden sind: Messebesuche in Frankfurt auf der Ambiente wegen Glückwunschkarten, die Kunstausstellungen von Christian gemeinsam mit mir als Lyriker, meine eigenen beiden Bücher (Gedichtband und Roman), und die vielen vielen Ideen, die auf irgendwelchen Notizzetteln in großen schwarzen Boxen im Archiv der Agentur aufbewahrt werden, da sehe ich den Erfolg, den wir hatten, da sehe ich die vielen glücklichen Tage und auch ein Höchstmaß an Liebe und Leidenschaft, ein solches Projekt wie die Brennessel nach vorne zu bringen und zu bewahren. 30 Jahre Brennessel, das ist für Neuburg und für die Region ein Geschenk – ein Geschenk von Christian und mir, und die vielen vielen Helferinnen und Helfer, die in diesem Magazin etwas Besonderes sehen.
Alles Gute weiterhin – Bernd Bredendiek