Bayerns Gesundheitsminister stellt Gutachten zu möglichen Folgen der Krankenhausreform vor – Holetschek fordert massive Kurskorrektur und Krankenhaus-GipfelMünchen – Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat am Mittwoch ein Gutachten vorgestellt, das die negativen Folgen der geplanten Krankenhausreform der Bundesregierung aufzeigt. Deshalb forderte Holetschek in München massive Korrekturen an dem Vorhaben. Er warnte: „Mit dem derzeitigen Konzept drohen drastische Einschnitte in der bayerischen Krankenhauslandschaft. Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach an den Plänen festhält, werden bewährte Strukturen zerstört, die wir weiterhin dringend benötigen. Das belegen die Ergebnisse des von mir in Auftrag gegebenen Gutachtens. Ich werde weiter dafür kämpfen, dass eine qualitativ hochwertige flächendeckende Krankenhausversorgung in Bayern auch künftig bestehen bleibt.“
Holetschek erläuterte: „Das Gutachten hat ermittelt, was passieren würde, wenn die bislang bekannten Reformvorschläge umgesetzt würden. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass 53 der rund 400 bayerischen Krankenhäuser (13 Prozent) durch die Reformpläne auf das sogenannte Level I i herabgestuft würden. Das bedeutet, sie könnten künftig nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten, zum Beispiel bei Diabetes- oder Kreislaufproblemen. An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden.“
DRASTISCHE EINSCHNITTE BEI GEBURTSHILFE ODER SCHLAGANFALL
Holetschek betonte: „Mehr als 50 Krankenhäuser in Bayern wären also keine vollwertigen Krankenhäuser mehr, wenn der Bund die bislang bekannten Pläne umsetzen würde. Auch bei Häusern mit einem breiteren Versorgungsangebot würde sich das Angebot nach den Berliner Plänen verschlechtern. Knapp 100 Krankenhäuser würden künftig nur noch eine stationäre Basisversorgung anbieten. Zahlreiche andere auch in der Fläche relevante Angebote würden nach der Konzeption des Bundes an diesen Häusern wegfallen, ein besonders gravierendes Beispiel ist die Geburtshilfe.“
Holetschek ergänzte: „Auch die Versorgung bei einem Schlaganfall wäre gefährdet. Gerade auf dem Land ist die Schlaganfallbehandlung in telemedizinischen Netzwerken in Bayern bislang sehr erfolgreich. Auch am Beispiel der Intensivmedizin belegt das Gutachten die große Gefahr einer Ausdünnung der Versorgungsangebote.“
Der Minister fügte hinzu: „Auch für Fachkrankenhäuser brauchen wir passende Regelungen. Die Regierungskommission lässt zu diesen Häusern vieles im Unklaren. In Bayern leisten diese spezialisierten Kliniken – zum Beispiel für Kinderheilkunde – einen im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlichen Versorgungsbeitrag, gerade auch in der Intensivmedizin. Wir müssen diese unverzichtbaren Angebote weiter aufrechterhalten, alles andere wäre unverantwortlich. Eine gute Krankenhausversorgung darf nicht ein Privileg der Ballungsräume werden. Auch auf dem Land muss es erreichbare Angebote geben.“
HOLETSCHEK FORDERT KRANKENHAUS-GIPFEL
Der bayerische Gesundheitsminister bekräftigte: „Damit wir uns nicht missverstehen: Wir brauchen eine Krankenhausreform. Aber es darf kein Diktat der Wirtschaftlichkeit zulasten der Strukturen vor Ort geben. Die Reform muss sich am Wohl der Patientinnen und Patienten orientieren. Ich habe mich von Anfang an dagegen ausgesprochen, eine so grundlegende Reform vom grünen Tisch aus im Blindflug zu beraten oder gar zu beschließen.“
Holetschek forderte: „Lauterbach muss einen Krankenhaus-Gipfel mit den Ländern, Bundesfinanzminister Christian Lindner und Klinik-Vertretern einberufen. Es wird Zeit, dass der Bundesgesundheitsminister mit allen Betroffenen redet, anstatt über ihre Köpfe hinweg zu planen. Völlig offen ist ja bislang auch die Frage, woher das Geld für die angedachte Reform kommen soll.“
HOLETSCHEK FÜR STRUKTURFONDS
Holetschek warnte: „Wegen des Strukturwandels stehen viele Krankenhäuser schon jetzt massiv unter Druck. Wenn Herr Lauterbach jetzt nicht die finanzielle Sicherung der Krankenhäuser mit höchster Priorität vorantreibt, könnte so manche Klinik die Umsetzung der Reform vielleicht gar nicht mehr erleben. Bayern hat das erkannt und handelt: So stellen wir den bayerischen Krankenhäusern aus dem Bayerischen Härtefallfonds einmalig 100 Millionen Euro mit Blick auf bislang nicht gedeckte Sachkostensteigerungen im Jahr 2023 zur Verfügung. Wir fördern Krankenhausinvestitionen jedes Jahr mit 643 Millionen Euro und werden diesen Betrag noch ausbauen. Erst gerade haben wir zudem im Kabinett ein Förderprogramm für kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum im Umfang von 100 Millionen Euro beschlossen.“
Der Minister betonte: „Ohne finanzielle Unterstützung können die Krankenhäuser den notwendigen Transformationsprozess nicht bewältigen. Umverteilungen im System reichen nicht, wir brauchen frisches Geld – für die Reform, aber auch schon zuvor zur Beseitigung der systematischen Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Man sollte daher den Vorschlag von Professor Christian Karagiannidis prüfen, einen Strukturfonds über 100 Milliarden Euro einzurichten, denn sonst laufen wir Gefahr, dass einige Kliniken die Strukturreform gar nicht mehr erleben.“
Der Minister sagte: „Zudem benötigen die Umstrukturierungen Zeit. Die von der Regierungskommission vorgesehene Konvergenzphase von vorgeblich fünf Jahren ist deutlich zu kurz. Die Krankenhäuser, denen Einschränkungen ihres Leistungsangebots drohen, würden bereits im zweiten Jahr der Konvergenzphase 10 bis 15 Prozent der Vergütungen einbüßen.“
Holetschek bekräftigte: „Auch dem Freistaat Bayern ist daran gelegen, die Reform gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern anzugehen. Aber nicht um jeden Preis. Die stationäre Versorgung auch in der Fläche ist für mich nach wie vor nicht verhandelbar. Die Bedürfnisse der Patienten, bessere Arbeitsbedingungen für das Personal und weniger Bürokratie – diese Punkte kommen mir bislang zu kurz.“
HOLETSCHEK SCHLIESST GANG NACH KARLSRUHE NICHT AUS
Holetschek sagte: „Daher muss es Korrekturen und Vereinfachungen bei den Voraussetzungen der sogenannten Level und den am jeweiligen Level möglichen Leistungsgruppen geben sowie Öffnungsklauseln für die Länder, um regionalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können. Ich werde es nicht hinnehmen, wenn die Planungshoheit der Länder durch die Reform ausgehebelt wird. Notfalls bin ich auch bereit, dafür nach Karlsruhe zu gehen und vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.“
Das „Gutachten zur Folgenabschätzung der Krankenhausreform auf die Versorgungsstruktur in Bayern“ hat die Firma BinDoc im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege erstellt. Als Grundlage dienten Ergebnisse der dritten Stellungnahme und die Empfehlung der Regierungskommission. Die verfügbaren Daten sind in Teilen noch limitiert, weshalb die berechneten Zahlen nicht mit letzter Exaktheit die Auswirkungen wiedergeben können. Sie sind aber ein klarer Indikator für die Tendenz der zu erwartenden Folgen. – Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege