oder: Wie es während des Layouts bei uns zugeht….
Sein finsterer Blick lässt nichts Gutes ahnen. In der Hand hält er ein gefährliches, langes Messer! Versteckt hinter dem Vorhang lauert er auf sein nichts ahnendes Opfer. Plötzlich läutet das Telefon! „Verdammt noch mal“, denke ich mir. „Immer wenn der Krimi besonders spannend wird, ruft jemand an!“ „Hallo, Frau Golder, wie geht es Ihnen“, tönt es mir entgegen. Die gleiche Stimme, die immer zum Monatsende und immer zur allerbesten Krimisendezeit sich bei mir meldet. Es ist Mr. Brennessel alias Christian Dumitru, der mich fragt, ob und bis wann ich morgen früh in der Redaktion antanzen könnte. „Gegen 8.30 Uhr?“ – „Ja, geht klar!“ – „Ganz sicher? Wir haben viel zu tun und müssen am Freitag in Druck gehen!“ – „Gaaaanz sicher!“
Lieber spät als gar nicht
Anderntags komme ich gegen 10 Uhr in die Redaktion. Entrüstete Blicke treffen mich. Gehen die Uhren im südwestlichen Landkreis etwa anders? Ich setzte meinen „Ich-kann-doch-nix-dafür-Unschuldsblick“ auf und erzähle was von „Musste noch einkaufen gehen, damit meine drei Männer abends nicht vorm leeren Kühlschrank verhungern“, und dem dringenden Gang zur Post und zur Bank, und dass ich die Wäsche aus der Waschmaschine noch aufhängen musste und, und……. – das Gleiche, was ich ihnen halt jeden Monat erzähle…..
Bauchkraulen
Nach den obligatorischen Streicheleinheiten mit Bauchkraulen – natürlich beim Redaktionshündchen, der Pudeldame „Gina“ und nicht bei Mr. Brennessel, wie vielleicht jemand mutmaßen könnte – ziehe ich mich in die hintere Abteilung der offenen Büroräume zurück, werfe den Computer an und mache mich über den Terminkalender her. Das gehört zwar – milde umschrieben – nicht unbedingt zu meinen Lieblingsaufgaben, aber es wurde uns schon oft, auch von auswärtigen Lesern, bestätigt, dass sie gerne im „brennessel“-Magazin oder auch in unserer Online-Ausgabe nachlesen, was im Landkreis so los ist. Ich tippe drauf los bis der „gute Geist des Hauses“ in Form von Elena Dumitru in Erscheinung tritt.
Let’s talk about….
Nach ihrem „Wie geht’s Ihnen denn?“ und dem Austausch gesundheitlicher bis sonstiger Problemchen und Vorkommnisse, gleiten wir nahtlos über zu anderen Bereichen wie Wirtschaft, Politik, Business (Aber hallo Ihr Männer! Frauen reden nicht nur über Modetrends, Frisuren, Diäten und Kindererziehung!) bis wir beim äußerst ergiebigen Thema „Männer“ landen und in großer Übereinstimmung über deren Macken ablästern. Nach fünfeinhalb Stunden Gedankenaustausch – ein Scherz! Das schaffen wir schon in vier Stunden!!! (*zwinker *) – fahre ich mit dem Heraussuchen, Sammeln und Schreiben der Termine fort. Elena Dumitru (Bereich Esoterik, Kochrezepte, Witze etc.) hat inzwischen ihre Texte fertig, so dass ich sie gleich Korrektur lesen kann.
Schmunzeln erlaubt
Bei einigen Witzen muss ich herzlich lachen, die anderen finde ich eher harmlos. Überhaupt gehen hier die Meinungen in der Redaktion etwas auseinander. Während Alex Dumitru in seinem jugendlichen Leichtsinn und wahrscheinlich aufgrund seines hormonell stark beeinflussten Denkens das Heft mit äußerst eindeutig zweideutigen Witzen zupflastern würde, die beide Dumitru-Herren gleichermaßen amüsant finden, sind wir *brennessel-Mädels * eher für entschärfte Gags. Grundsätzlich gilt: Keine Witze über Behinderte, Juden und zu sexuell ausgeprägt! Aber ansonsten wird jeder und alles mal auf den Arm genommen, auch wenn uns deswegen sogar schon mal eine gewisse Frauenfeindlichkeit unterstellt wurde! Wer aufgrund unserer Witze sich ernsthaft auf den Schlips getreten fühlt, der hat meiner Meinung nach ein ernsthaftes Problem mit sich selbst und verfügt außerdem über keinerlei Humor!
Harte Arbeit
Inzwischen kommt „Big Boss“ von seiner heutigen Akquise-Tour zurück. Die meisten Anzeigen für die kommende „brennessel“-Ausgabe haben er und Alex bereits in den vorhergehenden Tagen „gebaut“, d.h. fertig gestaltet. Einige neue kommen noch hinzu. Ganz vertieft in ihre Arbeit sitzen die beiden vor ihren Computern, basteln mit viel Zeitaufwand an den Inseraten herum, während ich mich über eine Firmenpräsentation hermache. Zuerst lese ich die vorhandenen Informationen durch. Was ist für den Kunden wichtig und interessant? Wie will sich die Firma darstellen, welche Infos rüberbringen? Durch was unterscheidet sie sich von der Konkurrenz? Welche Besonderheiten und spezielle Kenntnisse und Bereiche sollte man hervorheben? Bevor ich zum Schreiben beginne, entsteht vorab im Kopf oder auf dem Papier eine grundlegende Gliederung, damit sich nachher alles flüssig liest.
Ein Herz für Kultur
Weitere Texte, Vorberichte zu Veranstaltungen, Ausstellungen usw. folgen. Sollen wir auch über die Kultur in Neuburg schreiben? Hm?? Nachdem die Stadt bei einem regionalen Landkreis-Magazin (herausgegeben von einer Werbeagentur aus Ingolstadt, die unsere Idee abgekupfert hat) Monat für Monat dafür etliche Seiten kauft, sollten wir dies eigentlich auch nicht mehr kostenlos tun. Denn von „Luft und Liebe“ können wir nicht leben und erst recht nicht ein kostenloses Magazin herausgeben. Dies muss durch Inserate finanziert werden, d.h. Monat für Monat bei zig Firmen wegen Anzeigen nachfragen, während es anderen ohne viel Aufhebens sozusagen in den Rachen geworfen wird. Also ich finde das äußerst ungerecht und absolut unverständlich! In früheren Zeiten selbst Maler, schlägt Mr. Brennessel’s Herz jedoch für die regionale Kultur. Statt als knallharter Geschäftsmann denkt er in dieser Beziehung eher als Künstler, ergo – kostenlose Veröffentlichung der kulturellen Veranstaltungen, sofern noch Platz vorhanden ist.
Zu erotisch?
„Wie gefällt euch die Titelseite?“, fragt Alex stolz in die Runde, als er sie fertig hat. Passend zum Thema des Monats „Liebe, Valentinstag“ hat er dort ein Liebespärchen platziert. Alle sind begeistert, nur ich finde das Foto zu erotisch. Alle sehen mich verständnislos an. „Ein Kuss auf den Hals symbolisiert doch Leidenschaft, Sex und so“, meine ich. Ein Händchen haltendes Paar wäre doch viel harmloser. Die Titelseite bleibt wie sie ist. – Nun muss/darf ich über mein Lieblingsthema „die Liebe“ schreiben. Als Fachfrau in Liebesangelegenheiten – qualifiziert durch das pubertäre Studium von weit über 200 Groschenromanen und Büchern zu diesem Thema, sowie durch ständige autodidaktische Weiterbildung mittels Fachbücher über Psychokram in zwischenmenschlichen Beziehungen und aufgrund jahrelanger Praxis – bin ich hierfür geradezu prädestiniert! Ich suche in meinen Unterlagen Interessantes zu diesem Thema, recherchiere im Internet, mache mir Gedanken dazu und beginne zu schreiben.
Baby-Euphorie
Alex platziert während dessen seine Computerspiel-Vorstellungen im Heft. Nachdem er bald damit fertig ist, steigt seine Laune. Er singt (falls man diese Töne überhaupt als Singen bezeichnen kann!), pfeift, schnalzt mit der Zunge, macht nicht identifizierbare Geräusche. Kurz gesagt: Er nervt mich beim Schreiben! Ich sag’s ihm! Aber es nützt nichts. Nach ein paar Minuten zwitschert er schon wieder. Endlich ist er fertig und geht draußen eine rauchen. Zurück kommt er mit stolz geschwellter Brust und seinem Töchterlein auf dem Arm – das entzückendste, süßeste, netteste, hübscheste, bravste und was-weiß-ich-noch Baby seit es Babies gibt! Schlagartig plappern sämtliche anwesenden Dumitrus nur noch in Babysprache. Nach allgemeiner Bewunderung des Nachwuchses mache ich mich wieder ans Werk, was sich jedoch als äußerst schwierig erweist angesichts des ständigen „Gigigi, dudu, dada, guckguck“ der Erwachsenen. Ich gebe auf, packe meine Unterlagen zusammen und verschwinde nicht ohne das Versprechen, morgen pünktlich um 8.30 Uhr hier wieder hier auf der Matte zu stehen.
Lange Nacht
Abends ab 22 Uhr habe ich dann wieder Lust zum Schreiben. Gänzlich ungestört mache ich mit dem Thema Liebe und dem dazu passenden Editorial weiter, schreibe alles, was mir sonst noch in Auftrag gegeben wurde. Gegen 5 Uhr morgens bin ich endlich fertig, maile noch alles in die Redaktion und lege mich dann um 5.30 Uhr schlafen. Verständlicherweise bin ich um 8.30 Uhr noch nicht in der Redaktion, sondern im Bett. Aber sie können ja inzwischen die Texte und Anzeigen im Heft platzieren.
Dicke Luft & Hektik
Als ich um 11 Uhr im Büro erscheine, herrscht dicke Luft, nicht nur wegen des Zigarettenqualms. Von einigen Kunden fehlen noch Infos bezüglich ihrer Anzeigen, die somit noch nicht erstellt und platziert werden können. Bei einem anderen ist die zugesandte Vorlage sehr unscharf. Alex findet, dass sie schon noch lesbar ist, während „Big Boss“ als Perfektionist das Inserat trotz Zeitmangel noch mal gänzlich neu bauen will. Der Artikel über die Schule ist viel zu lang; ich soll ihn auf die Hälfte kürzen. „Das ist inhaltlich unmöglich und außerdem wurde mir zugesagt, dass er eine Heftseite lang sein darf. Und er ist wichtig, gerade für die Hauptschule.“ Mr. Brennessel sieht es zum Glück ein, deponiert Anzeigen an anderer Stelle, ich kürze andere Texte gleich direkt im Heft in seinem Computer und mit einer kleineren Schrift passt der Artikel jetzt in ganzer Länge rein. Ich bin zufrieden.
Fehlerteufel-Suche
Die ersten Seiten werden ausgedruckt und von mir Korrektur gelesen. Ups! Da ist ein Tippfehler, dort ein Buchstabendreher. Auf Papier liest es sich doch anders als am Computer. Vielleicht wäre inzwischen auch eine Lesebrille angebracht? Den Männern steht im Heft zu viel über Liebe. Sie wollen ein anderes Editorial. Ihnen gefällt wahrscheinlich nicht, was ich dort über „Hormon gesteuerte Männer“ geschrieben habe, vermute ich. Aber keiner will es zugeben. Ich schreibe das Editorial neu, diesmal zum Thema Schulübertritt.
Dampf ablassen
„Big Boss“ braucht zwischendurch „noch ein paar Texterl“ für seine Anzeigen. Also rüber zu seinem Computer, fertig – dann wieder weiter bei mir. Erneut rüber zu ihm. Jetzt macht er einen Textvorschlag, den er selbst nicht besonders gut findet. Ich einen anderen, keiner gefällt uns. Alex bringt auch ein paar Ideen mit ein, Frau Dumitru ebenfalls. Keine gefällt uns. Die Vorschläge werden immer exotischer, bis wir nur noch herumblödeln. Das ist zwischendurch auch notwendig, dient dem Abbau von Stress, vor allem wenn es in den letzten Tagen, kurz bevor die „brennessel“ in Druck gehen soll, äußerst hektisch in der Redaktion zugeht. Akkurat dann erscheint auch immer Herr X. (*Name geändert), ein Freund des Hauses. Eigentlich ein netter Typ, aber wenn er mit seiner lauten, alle Wände durchdringenden Stimme zu erzählen anfängt, dann ist es unmöglich, einen Gedanken zu fassen und sich auf das Schreiben zu konzentrieren. Mein ständiges „Könnt Ihr bitte etwas leiser sein?“ hat ihn anscheinend inzwischen vergrault, zumindest während der Layout-Zeit.
Der Countdown läuft
Beinahe ist das Magazin fertig. Morgen noch den Rest Korrektur lesen, die Änderungen machen, 3. Seite und Gewinnspiel. Die Atmosphäre ist jetzt locker. Bevor ich heimgehe, muss ich mir unbedingt noch die Auswertungen von „Alexa“ anschauen, meint Christian Dumitru. Voller Stolz zeigt er mir, dass die Online-Ausführung des brennessel-Magazins laut „Alexa“ (www.alexa.com) deutschlandweit im Bereich „Medien-Zeitschriften/Onlinemagazine“ auf dem 5. Platz liegt – nach Spiegel, Stern, Max-online und Whow! Entertainment online!!!! Ein Riesenerfolg für unser Magazin, jedoch nicht verwunderlich bei rund 24.000 Online-Besuchern täglich!! Damit haben wir uns selbst das schönste Geschenk zum 10-jährigen Jubiläum gemacht! Wir sind doch echt toll, oder?