Die bayerische Staatsregierung hat vor einem Kollaps des Gesundheitssystems gewarnt. Ministerpräsident Söder will nun mit harten Gegenmaßnahmen die vierte Corona-Welle brechen. Was genau geplant ist, erklärte der CSU-Politiker in einem BR24 extra.
München – Von nächsten Mittwoch, dem 24. November, an sollen für Ungeimpfte Kontaktbeschränkungen gelten. Daneben müssen alle Clubs, Diskotheken und Bars für die nächsten drei Wochen schließen, Weihnachtsmärkte soll es in diesem Jahr nicht geben. In der Gastronomie gilt zudem eine Sperrstunde ab 22 Uhr.
In extremen Hotspots werden zudem weite Teile des öffentlichen Lebens heruntergefahren. Schulen und Kitas sollen aber in ganz Bayern offen bleiben.
Auch bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren soll künftig die 2G-Regel gelten, ebenso bei Hochschulen, in Musik- und Fahrschulen. Eine Ausnahme von 2G bleibt der Handel – aber mit einer Obergrenze: eine Person auf zehn Quadratmeter Fläche.
Ziel: Jeder, der ein Intensivbett braucht, soll es bekommen
Ministerpräsident Markus Söder verteidigte im BR extra am Freitagabend die harten, neuen Regelungen. Die Inzidenzen gingen stark nach oben, in einigen Bereichen in ungeahnten Höhen, sagte Söder im Gespräch mit BR-Chefredakteur Christian Nitsche. Die Betten in den Krankenhäusern liefen voll, so Söder. Er wolle, dass jeder, der ein Intensiv-Bett benötige, eines bekomme. Derzeit werde es nicht nur für Covid-Patienten eng, sondern auch für Menschen etwa mit einer Krebsdiagnose, Herz- Kreislauferkrankungen oder nach Unfällen. Er wolle Triage vermeiden, alle sollten ein Bett bekommen können.
Kernproblem: die niedrige Impfquote
Als das Kernproblem bezeichnete Söder die niedrige Impfquote in Bayern. Auch sei sehr viel Sorglosigkeit und mangelnde Solidarität festzustellen gewesen, bis hin zu gefälschten Impfpässen und Testnachweisen.
Bayern habe dem neuen Infektionsschutzgesetz im Bundesrat zugestimmt, obwohl es Fehler habe, um nun die getroffenen Entscheidungen treffen zu können. Die neuen Regelungen seien verhältnismäßig und in den Hotspots abgestuft. Überwiegend handele es sich um einen Lockdown für Ungeimpfte, so der Ministerpräsident.
Auf Dauer helfe gegen Corona nur Impfen, sagte Söder: „Wir werden auf Dauer noch überlegen müssen, wie wir die Impfbereitschaft steigern, sonst sind wir immer wieder in dieser Endlosschleife mit neuen Wellen.“ Wenn die Impfquote nicht ausreichend steige, sei Corona auf Dauer nicht in den Griff zu bekommen.
Debatte über Impfpflicht
Söder bezweifelt, dass eine partielle Impfpflicht nur für einzelne Berufsgruppen ausreiche. Über eine weitergehende Debatte über eine Impfpflicht für alle werde man nicht herumkommen. Auch gehe die Lage „den Leuten auf den Nerv“, dass man wegen der Unvernunft einiger oder inzwischen doch sehr vieler das Leben immer wieder neu justieren müsse.
Der Ministerpräsident kritisierte, dass immer nur nach dem Schlupfloch gesucht werde, und nicht nach der Wirkung. Der Ernst der Lage sei vielfach nicht verstanden worden. „Das betrübt mich sehr“. Es gehe um Kontaktbeschränkung, um eine Senkung der Fallzahlen. Die Signalwirkung sei nun klar: „Bitte weniger Kontakte.“ Einschränkungen führe er nicht aus Spaß ein oder um jemanden auszugrenzen. „Wir müssen das große Ganze sehen.“
Schließung der Weihnachtsmärkte verteidigt
Die Schließung der Weihnachtsmärkte verteidigte Söder. Dort kämen viele Menschen zusammen. „Da ist ein Infektionsrisiko.“ Weihnachtsmärkte offenzuhalten wäre ein schlechtes Signal gewesen, Gleiches gelte für Discos und Clubs.
Schulen und Kitas seien von der Schließung ausgenommen, da dort getestet werde, erklärte der CSU-Politiker. Söder appellierte an Eltern, ihre Kinder impfen zu lassen. Die Zulassung für Impfstoff ab 5 Jahren sei absehbar.
Söder: Ampel anfangs „sehr naiv“
Einen Gesamtlockdown für alle wie in Österreich hält Söder derzeit für nicht umsetzbar, da die Inzidenzen in Bayern unterschiedlich seien.
Derzeit seien die Regelungen nur bis zum 15. Dezember möglich. Söder ist sich sicher, dass der Bund da noch mal bewegen müsse. Die Einschätzung der Lage durch die Ampel sei anfangs „sehr naiv“ gewesen, so Söder. Inzwischen habe die Ampel nachgebessert.
Hartmann (Grüne): zu früh für Impfpflicht für alle
Für den Grünen Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Ludwig Hartmann, kommt die Diskussion um eine Impfpflicht für alle zu früh, sagte er in dem BR24 extra. Eine Impfpflicht für die Bereiche Pflege und Bildung hingegen könne er sich vorstellen. Auch seien bislang noch nicht alle Möglichkeiten für eine verlässliche Impfstrategie ausgeschöpft. In Gebieten mit hoher Inzidenz, etwa in Südostbayern, müssten die Menschen konkret angesprochen und mit Impfterminen versorgt werden, etwa über mobile Impfteams.
Die Grünen werden den angekündigten Maßnahmen in der kommenden Woche im Landtag zustimmen, kündigte Hartmann an. Der Grünen-Politiker will nicht ausschließen, dass die Möglichkeiten, die der Bund den Ländern biete, im Dezember noch einmal nachgeschärft werden, sollte die Lage dies erfordern. – BR