Die Infektionszahlen in Deutschland sind weiterhin hoch, die Lage in vielen Kliniken ist kritisch. Bund und Länder haben daher weitere Verschärfungen der Corona-Regeln beschlossen. Ungeimpfte müssen sich auf strenge Kontaktbeschränkungen einstellen.
München – Im Kampf gegen die beispiellose Corona-Welle greifen im Advent in ganz Deutschland strengere Schutzauflagen – und umfassende Beschränkungen für Ungeimpfte. Bund und Länder haben am Donnerstag nach langem Ringen eine Reihe von Maßnahmen mit Folgen für Millionen Bürger beschlossen, um die Virusausbreitung zu bremsen. Es handele sich um bundesweite „Mindeststandards“, heißt es im Beschluss. Besonders für Ungeimpfte wird es härter.
2G im Einzelhandel
Die 2G-Regel greift jetzt bundesweit für den Einzelhandel. Zutritt haben nur noch Geimpfte und Genesene, ausgenommen sind Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien, Apotheken. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) räumte ein, dass dies für die Händler keine einfache Situation sei. In der Hauptstadt, wo dies schon gilt, erlebe er aber auch Reaktionen vieler Kunden, die sich sicherer fühlten. Der Handelsverband beklagte Einschränkungen „aus rein symbolischen Gründen“ in der umsatzstärksten Zeit, ähnlich äußerte sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.
Bundesweit 2G soll auch für Gaststätten, Kinos oder Theater gelten – zusätzlich kann ein Corona-Test verlangt werden. Ausnahmen für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind möglich.
Obergrenze für Großveranstaltungen
Für überregionale Sport-, Kultur- und andere Großveranstaltungen kommen Zuschauer-Begrenzungen. Genutzt werden dürfen nur bis 50 Prozent der Kapazität – innen sind maximal 5.000 Zuschauer erlaubt, im Freien 15.000. Zugang haben nur Geimpfte und Genesene (2G) mit medizinischer Maske, vorgeschrieben werden können auch extra Tests (2G plus). In Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen müssen Veranstaltungen „nach Möglichkeit abgesagt und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer durchgeführt werden“.
Spätestens wenn in einer Region die Schwelle von 350 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritten wird, müssen Clubs und Diskotheken schließen. In Kreisen, die diese Schwelle durchbrechen, dürfen zu privaten Feiern drinnen maximal 50 Geimpfte und Genesene kommen, draußen höchstens 200.
Feuerwerksverbot an Silvester
Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester wird wie im Vorjahr verboten. Für bestimmte belebte Plätze sollen auch wieder Feuerwerksverbote verhängt werden. Vom Raketen-Zünden wird generell abgeraten, um Belastungen der Kliniken durch Verletzte zu vermeiden.
Bereits im vergangenen Jahr war der Verkauf von Böllern und Feuerwerk verboten worden. Ziel war es, die Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen – unter anderem, indem Verletzungen beim Abbrennen von Feuerwerk in der Silvesternacht verhindert werden. An Silvester und am Neujahrstag wird es bundesweit ein Versammlungsverbot geben.
Impfstatus nicht dauerhaft
Für mehr Impftempo soll neben einem neuen Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt für die Logistik auch Verstärkung organisiert werden: Apothekerinnen, Apotheker und Pflegefachkräfte in Heimen sollen kurzfristig mitimpfen dürfen.
Da der Impfschutz nach einer gewissen Zeit ohne Verstärkung („Booster“) nachlässt, soll der Status als vollständig Geimpfter nach einer gewissen Dauer auslaufen. Die Zeitspanne ist noch offen – diskutiert wird über neun Monate. Für mehr Impftempo organisiert der Bund auch mehr Impfdosen. Nach Gesprächen mit den Herstellern können laut Gesundheitsministerium Millionen Moderna- und Biontech-Dosen auf Dezember vorgezogen werden.
Allgemeine Impfpflicht: Beratungen im Bundestag
Der Bundestag soll bald über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden, ohne Fraktionsdisziplin. Ab Februar 2022 – bis dahin sollen alle Willigen geimpft werden können – könne die Pflicht greifen. Der Ethikrat soll bis Jahresende eine Empfehlung erarbeiten. Merkel räumte ein, alle Verantwortlichen hätten gehofft, dass die seit Pandemiebeginn betonte Freiwilligkeit beim Impfen besser angenommen würde. Trotz allen Werbens fürs Impfen gebe es aber eine Impflücke. „Angesichts dieser Situation ist es glaube ich wirklich auch geboten, eine solche Impfpflicht zu beschließen.“ Zudem soll eine Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Kliniken kommen.
Merkel: „Die Lage ist ernst“
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach der Schaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten: „Es geht um eine große nationale Anstrengung, und es geht um Solidarität.“ Er rief erneut alle zu Impfungen auf und betonte das Ziel von bis zu 30 Millionen Impfungen bis Jahresende. Die scheidende Regierungschefin Angela Merkel (CDU) sagte, weitere Maßnahmen seien nötig, um die Welle zu brechen. Die Lage sei ernst, eine mögliche „gewisse Beruhigung“ habe noch ein viel zu hohes Niveau.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen, mahnte, seit dem Zweiten Weltkrieg habe es keine vergleichbare Situation im Gesundheitswesen gegeben. – BR