Zweidrittel der Zeit sind vorbei – ein persönliches Zwischenfazit aus 40-jähriger Begleitung und BeobachtungDie Politik wollte ein Konzept fürs Moos – seit 22 Jahre liegt es auf dem Tisch!In den Jahren 1991–1999 fand ein intensiver Findungs- und Abstimmungsprozess in der Kommunalpolitik, den Verbänden und Fachbehörden statt, bis dieses Entwicklungskonzept – aufgebaut auf das Pfadenhauer-Gutachten – im Juli 2000 auf dem Tisch lag. Dieses Konzept besiegelten der Landrat von Neuburg-Schrobenhausen, der Bezirkstagspräsident von Oberbayern, die Bürgermeistern der Donaumoosgemeinden Königsmoos, Karlshuld, Karlskron, von Ehekirchen und der Kreisobmanns des Bayer. Bauernverbandes mit ihrer Unterschrift. Etwas später kam auf eigenen Antrag der Markt Pöttmes zu dem 1991 gegründeten Zweckverband Donaumoos.
Zwei Jahre später, am 16.02.2002 stellte die Landesplanungsbehörde der Regierung von Oberbayern auf Antrag des Donaumoos-Zweckverbandes das Entwicklungskonzept durch ein Raumordnungsverfahren unter Einbeziehung regional relevanter „Träger öffentlicher Belange“ das Entwicklungskonzept Donaumoos 2000-2030 als behördenverbindlich fest. Alle Behörden haben nun ihre Planungen im Naturraum Donaumoos, der etwa 18.000 ha Donaumoos umfasst1, an diesen Inhalten, den künftigen Funktionsräumen für Hochwasser-, Wiesenbrüter- und Torfkörperschutz auszurichten. Die Umsetzung soll auf freiwilliger Basis erfolgen und ist für den einzelnen Bürger nicht, aber für alle Behörden verbindlich.
Die Kernziele für die künftige Entwicklung sind der Hochwasserschutz der Siedlungen, der Wiesenbrüterschutz, die Erhaltung des Torfkörpers in ausgewiesenen Bereichen, eine großflächige niedermoorschonende Landnutzung, aber auch die Wasserrückhaltung im Donaumoos zum Schutz der Unterstrom liegenden Gemeinden. Die mit Hilfen von Fachplanern gemeinsam entwickelten Funktionszielräume basieren auf den Grundlagen: Besiedlung und Weiterentwicklung, der Moormächtigkeit, der Schutzbedürfnisse der Wiesenbrüter und auf der Basis der hydro-geologischen Fakten. Die Erkenntnisse aus dem Pfadenhauer-Gutachten von 1987 gingen in die Planung und Abwägung ein.
Der Aspekt des Klimaschutzes, d.h. der Austrag von Klimagase bei der Entwässerung und Nutzung des Moorbodens zu minimieren, wurde diskutiert, konnte aber nicht als konkretes Ziel, sondern als künftig „niedermoorverträgliche“ Nutzung in verschieden Abstufungen fixiert werden. Die Sicherung von vier Räumen zum Moorkörperschutz mit Pufferzonen (1.200 ha) fand Eingang und Unterschrift im Entwicklungsplan.
Was wurde bisher umgesetzt
Der Zweckverband, also die „Kommunalpolitik und die Entwässerungsverbände“ sollten nun die Umsetzung des Entwicklungskonzeptes vollziehen. Der Verband konzentrierte sich in den ersten zehn Jahren auf die Verbesserung des Hochwasserschutzes für die besiedelten Bereiche. Damit verbunden war die Hoffnung, dass durch die Hochwasser-Rückhaltebecken auch Moosäcker weniger oft überflutet werden. Der Zweckverband konnte bisher drei größere Rückhalteräume, an der Donaumoos-Ach bei Seeanger/Pöttmes, im Baierner Flecken/Langenweiher und bei Sandizell und ein paar kleinere Maßnahmen realisieren.
Alle drei Becken, die ab einem 10-jährlichen Niederschlagsereignis „anspringen“ sollen, bewiesen zwischenzeitlich ihre Funktion. Der trotz Beweidung teilweise entstandene Aufwuchs (Schilf und Rohrkolben) und die entstandenen kleinen Wasserflächen steigerten enorm die Artenvielfalt (Biodiversität) in den neuen Feuchtgebieten und wurden zu Hotspots des Artenschutzes.
Zur Halbzeit des zur Umsetzung angelegten Zeitplans, also in 2015/16 fanden im einige Workshops statt, in denen neben einer ersten Bilanz, insbesondere das herausgearbeitet wurde, was jetzt zu tun ist. Trotz Beteiligung aller Fachdisziplinen kamen diese Vorstellungen im Zweckverband nicht gut an, und die Mühen um Maßnahmen für den Wiesenbrüter und Torfkörperschutz zur Umsetzung zu bringen, waren vergeblich.
Drei hydro-ökologische Studien, für den Moorkörperschutz bei Langenmosen (2012), für die Schorner Röste (2016) und eine Studie zum Wassermanagement bei Obermaxfeld, finanziert aus dem Bayerischen Klimaprogramm (KLIP 2050) – Vorschläge aus dem Entwicklungskonzept – stecken auch noch in der Planung für eine Umsetzung dieser.
Die Wasserverbände, die Sitz und Stimme im Zweckverband haben, sehen ihre Aufgabe in der funktionierenden Entwässerung des Donaumooses. So blieb es im Donaumoos überwiegend bei einem „weiter so wie bisher“. Der Schutz der Wiesenbrüter, die Verbesserung der Wasserrückhaltung in der Fläche – wozu im Haus im Moos in den Jahren 2000 – 2008 mehrere Fachtagungen mit dem Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt stattfanden – brachten keine Trendwende. Der Moorkörperschutz war wegen des Flächenbedarfs ohnehin nicht besonders „begehrt“.
Fakt ist jedoch, dass die besiedelten Bereiche durch die fortschreitende Moorsackung sprichwörtlich aus der Landschaft „heraus gewachsen“ sind, da seit einigen Jahrzehnten alle Gebäude bis zum mineralischen Untergrund fundiert werden. Fakt ist jedoch auch, dass dort die Moorsackung massiv fortschreitet und bei stärkeren Niederschlägen sicher wieder wie im Jahr 2021 das Wasser länger zwischen den Kartoffelreihen steht.
So wurden weitere Wasserrückhalteräume zum Schutz der Siedlungen immer schwieriger vermittelbar und so entfiel auch die „Begünstigung“ des Hochwasserschutzes für die Moosäcker.
Der Donaumoos-Zweckverband entwickelte aber ein europaweit angesehenes Wisentprojekt beim Haus im Moos. Die vom Zweckverband einige Jahre betriebene Birkwild-Ausbürgerung erwies sich nicht als zielführend für das Donaumoos, was eine wissenschaftliche Begleitung bestätigte.
Jetzt verdrängen Photovoltaik-Investoren im Moos das Konzept
Eine bemerkenswerte Entwicklung bahnte sich im Herbst 2020 an. Die Investitionskosten für den Bau von Solaranlagen sind beachtlich gesunken und so wurde das schon zehn Jahre zuvor genehmigte Solar-Baugebiet in der Gemeinde Berg im Gau beim ehemaligen Schornhof, eine Photovoltaikanlage auf 144 Hektar Mooräcker errichtet. Die Kommunal- und Landespolitik lobte diese PV-Anlage für den Klimaschutz2, obwohl der Moorboden unter den PV-Modulen verdichtet, zeitweise staunass und dann wieder „staubtrocken“ aussieht. Die Freisetzung von 35 Tonnen sog. Kohlendioxid-Äquivalente je Hektar und Jahr, ein von Prof. Drösler an der Hochschule Weihenstephan ermittelter Wert für das Donaumoos, dauert dort vermutlich an!
Mittlerweile ist eine Erweiterung mit 60 Hektar PV-Module angelaufen. Auch in anderen Moosgemeinden winken PV-Investoren mit hohen Prämien und langen Pachtverträgen und die Ziele des Entwicklungskonzeptes, sowie Bauern und Grundstücksbesitzer geraten in enorme Bedrängnis (Protestbanner).
Was noch geschah und möglich ist im letzten Drittel bis 2030!
Die im Herbst 2018 gegründete Interessengemeinschaft Zukunft Schorner Röste bemüht sich um die Umsetzung des Moorkörper- und Klimaschutzes im Donaumoos, insbesondere bei Schorn, Gemeinde Pöttmes und Ehekirchen. Diese Forderungen zur Reduktion der Klimagase im südwestlichen Donaumoos wurden von der Kommunalpolitik wenig beachtet. Erst ein MEMORANDUM der IG mit weiteren prominenten Unterschriften im Sommer 2020, mit dem Moor- und Klimaschutz im Donaumoos zu beginnen, führte zu einem Gespräch bei Landrat Peter von der Grün. Ein offener Brief des Landrates, mit unterzeichnet vom Bauernverbandes an die Staatskanzlei und der Forderung, dass für den Einstieg in die Umsetzung des Entwicklungskonzeptes 50 Mio. €uro erforderlich sind, vermittelte in München, dass jetzt die Kommunalpolitik handeln will.
Anfang Mai 2021 kam der Bayerische Ministerpräsident auf den Moosberg bei Langenmosen und verkündete aus dem Ministerrat, dass für den Klimaschutz durch Moorbodenschutz mit der Landwirtschaft am Beispiel Donaumoos in den kommenden 10 Jahre 200 Mio. €uro (und Fachpersonal) bereitgestellt werden.
Es sollen 2.000 Hektar Moorfläche in Anlehnung an das Entwicklungskonzept renaturiert werden.
Die Umsetzung der Maßnahmen aus dieser überraschenden „Mittelzuweisung“ des Freistaats wurde dem Donaumoos-Zweckverband anvertraut, der durch staatliche Umsetzungsgruppe erweitert, mit der bereits eingerichtete Außenstelle des LfU-Artenschutzzentrums im Haus im Moos, ist jetzt gefordert.
Anfang Juni 2021, vier Wochen nach dem Besuch von Ministerpräsident Söder und seiner Entourage aus München stellte überraschend die Gemeinde Karlshuld, ein Freiflächen-Solargroßprojekt der Presse vor, das auch zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff dienen soll. Diese Solar-Initiative wurde von den Landtagsabgeordneten Enghuber (CSU) und Staatssekretär Weigert (FW), die beide auch in der Kommunalpolitik verwurzelt sind, angetrieben. Die Politik drängte auch zur Überarbeitung des Entwicklungskonzept Donaumoos 2000-2030 zu einem Konzept 2.0. Der Kreistag des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen stimmte am 24.06. 2021 für diese Konzeptüberarbeitung, bei der auch Flächen für Photovoltaik identifiziert werden sollen.
Die personelle Aufstockung des Donaumoos-Zweckverbandes, die Fachschaft aus dem LfU, die Anstellung einer Umsetzungseinheit an verschiedenen staatlichen Stellen rufen jetzt nach einem professionellen Kopf, wie unlängst auch aus der Presse zu entnehmen war. Dieser kann, angesichts der vielen staatlichen Millionen und den Erfahrungen auf kommunaler Ebene, doch nur – wie auch das Geld – aus München kommen.
Dann kann das gemacht werden, was in den vergangenen 20 Jahren nicht klappte. Dazu bedarf es jetzt eines strukturierten Planes, den die IG Schorner Röste bereits skizzierte und übrigens auch eine Karte, wo Photovoltaik im Moos geht und wo nicht (siehe dazu eigener Kasten).
Fazit aus 40-jähriger Bearbeitung und Betrachtung der Entwicklungen
Ob der Donaumoos-Zweckverband in seiner aktuellen Zusammensetzung jetzt gewillt ist, die Umsetzung des Klimaschutzes durch Moorbodenschutz im Donaumoos voran zu treiben, bleibt zu hoffen. Dies zeigen Presseberichte aus dem Kreistag, der selbst schon mehr Tempo forderte. Finanzmittel und Personal sind seit dem Besuch der Staatsregierung vom Mai 2021 vorhanden. An dem liegt es jetzt nicht mehr.
Die Unruhe bei den Bauern und Bäuerinnen und Verpächtern, die von PV-Investoren besucht werden, ebenso wie die Rathäuser, erfordert jetzt ein ziel- und lösungsorientiertes Vorgehen, ein professionelles Projektmanagement, um endlich den Menschen im Moos in der ohnehin gereizten Stimmung um die Klimaerhitzung, Moorstaubstürme, absaufenden Kartoffeläcker und dem weltweiten Artenschwund eine Zuversicht zu vermitteln.
Es ist unstrittig, dass auch mehr PV erforderlich ist, aber doch nicht in sensiblen Moorlandschaften, zumal PV-Freiflächenanlagen auf Moorböden daraufhin noch nicht untersucht wurden und so nicht als nachhaltig gelten können.
Mit der anstehenden Erweiterung des DMoosZV um weitere Gemeinden wäre jetzt der Zeitpunkt, die Struktur dieses Zweckverbandes neu auszurichten. Sich dem Modell eines Landschaftspflegeverbandes zu nähern, in dem durch eine Drittelparität von Kommunalpolitik, Landwirtschaft und Naturschutz die Maßnahmen getragen werden, funktioniert seit Jahre im Schwäbischen Donaumoos vorbildlich.
Landrat Peter von der Grün, Vorsitzender des Donaumoos-Zweckverbandes und des Stiftungsrats vom HAUS im MOOS hat mit seinem offenen Brief im Jahr 2020 ein klares kommunalpolitisches Wollen nach München gesendet. Die Staatsregierung hat gehandelt und ein umfassendes und unerwartet deutliches Förderangebot für den so dringenden Moor- und Klimaschutz im Donaumoos, ja für ganz Bayern gesetzt.
Jetzt geht es um die Akzeptanz von Fakten und Wahrheiten und nicht um die Suche nach Mehrheiten; die Wissenschaft hat längst geliefert und der Freistaat Bayern auch – jetzt liegt es an allen etwas für unsere Kinder, Nichten, Neffen und Enkel zu tun.
Ulrich M. Sorg
Nachklapp: „Ohne den Aufbau einer schützenden Ökologie versagen die Maßnahmen zur Eindämmung des menschengemachten Klimawandels“ (Prof. H. BODE, Uni Kassel, 2022
Die zentralen Aufgaben für die Zukunft des Donaumooses und all ihrer Bewohner
1. Es sind die Bereiche zu definieren, in denen die von der Staatsregierung geforderten Maßnahmen „Klimaschutz durch Moorbodenschutz mit der Landwirtschaft“ realisiert werden und wie diese Bereiche zu gestalten sind, damit sie dauerhaft dem Klimaschutz, einer deutlichen Senkung der Treibhausgase dienen.
2. Da alle Entwicklungen, Nutzungen und Maßnahmen in einer Moorlandschaft „vom Wasser her zu denken und planen“ sind, bedarf es dazu einer breiten Akzeptanz der Gewässer-, Gelände- und Grundwasserdaten des Wasserwirtschaftsamtes, deren Aktualisierung und dazu erweiterter Konsultationen in Gesellschaft und Kommunalpolitik.
3. Die Umsetzung der seit dem Jahr 2000 entwickelten vier Moorkörperschutzgebiete mit Pufferzonen erfordert ein in staatlicher der Obhut geführtes professionelles Projektmanagement, da dies bisher ergebnislos blieb.
4. Die Umkehr der dramatisch verschlechterten Situation der Wiesenbrüter im Donaumoos (Großer Brachvogel u.a.), ja der gesamten Biodiversität der historisch-ökologisch einmaligen Niedermoorlandschaft braucht eine generationsübergreifende und ausgleichende staatliche Honorierung dieser Gemeinwohlleistungen (Moorbauernprogramm, …), die sich an den Angeboten der PV-Investoren messen lassen.
5. Eine dieser Möglichkeit ist die extensive Beweidung mit einem einhergehenden Rückbau der Entwässerungen. Dies dient dem Klima-, Moorboden- und Gewässerschutz mit Begünstigungen der Biodiversität. Diese „Transformation“ von Acker zu Feuchtgrünland erfordert wie der Torfkörper- und Wiesenbrüterschutz adäquate Ausgleichszahlungen; der Ertrag aus der Weidenutzung ist „on Top“ zusehen.
6. Ein neuer Ansatz im Umbau der entwässerungsbasierten Ackernutzung zu einer weitgehend klimaneutralen Nassnutzung der Niedermoorböden sind Sumpfpflanzenkulturen (Paludikultur), die im Anbau und in Vermarktung zusätzlich und langfristig zu fördern sind.
Bild: M. Sorg