Mi. Apr 24th, 2024

Neuburg – In der Nacht auf den 15.Juli wurde der Westen Deutschlands von heftigen Unwettern heimgesucht, die eine Überflutung ganzer Landstriche zur Folge hatten. Seit der Sturmflut 1962 in Hamburg hat Deutschland kein Hochwasser mit so vielen Toten erlebt. Mindestens 170 Todesopfer hat das plötzlich einsetzende Hochwasser in Nordrheinwestfalen und in Rheinland-Pfalz nach derzeitigem Stand gefordert. Und noch immer werden Menschen vermisst. Die Bilder der vom Unwetter verwüsteten Städte und Landschaften, von eingestürzten Häusern, weggerissenen Straßen, verbogenen Eisenbahnschienen und übereinander getürmten Autos gleichen Bildern vom Krieg.

Und in der Tat fragt man sich, ob die Natur sich in einem Krieg mit der Menschheit befindet. Die Kraft der Urelemente, zu denen das Wasser zählt, war immer bekannt und gefürchtet. Und das Wetter konnte seit jeher Kapriolen schlagen. Doch extreme Wetterverhältnisse hängen auch mit der globalen Erderwärmung zusammen. Die aus einer zunehmenden Verdunstung resultierende wärmere Atmosphäre ist in der Lage, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen, was vermehrt zu Starkregen führt. Hinzu kommen eine zunehmende Bodenversiegelung und die Begradigung von Flüssen, die bei einer solchen Katastrophe wieder in ihr natürliches Flussbett zurückstreben.

Von den zerstörerischen Auswirkungen einer solch fatalen Entwicklung bleibt auch unsere technisch hoch entwickelte Gesellschaft mit guter Infrastruktur nicht verschont.
Die Ereignisse der letzten Tage werfen zudem die Frage auf: Sind wir hier im hoch entwickelten Deutschland wirklich so gut aufgestellt, wie wir immer dachten? Was zum Beispiel war mit dem Katastrophenschutz? Bereits der Alarmtag im Herbst vergangenen Jahres, an dem die Sirenen weitgehend versagten, hätte die dafür Verantwortlichen hellhörig machen sollen. Doch offensichtlich wurde nichts aus dem misslungenen Probealarm gelernt.

Der Umstand, dass viele Menschen von den Fluten komplett überrascht wurden, zeigt, dass der Katastrophenschutz nicht funktioniert hat. Dabei waren zwischen dem 10. und 14.Juli mehr als 25 Vorhersagen für Überschwemmungsgefahr herausgegeben worden. Doch es folgten keine Evakuierungen. Die Warnkette scheint irgendwo unterbrochen gewesen zu sein oder wurde schlicht und einfach missachtet. So war am Vorabend der Katastrophe nur von einer verregneten Tomatenernte die Rede, aber nicht davon, dass Menschenleben in Gefahr sein könnten. Ein kolossaler Fehler, der viele Leben gekostet hat.

Die nach der Katastrophe stattfindenden Besuche von Politikern jeglicher Couleur am Unglücksort waren wenig dazu angetan, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Zu sehr haftete ihnen der Geruch an, das Unglück für die bevorstehenden Wahlen zu instrumentalisieren. Und Armin Laschet, der lachte, als ganz viele Menschen nichts zu lachen hatten, gelang es nicht, wie einstmals Gerhard Schröder beim Hochwasser 2002, in Gummistiefeln zu punkten.
Die Situation ist alles andere als erheiternd. Menschen haben Angehörige und ihr Zuhause verloren. Und das nicht genug.

Das Chaos wird noch verschlimmert von anderen Nachrichten, die durch das Netz geistern. Rettungstrupps kamen nicht durch oder wurden wieder weggeschickt, von Plünderungen und marodierenden Banden ist die Rede und von steigender Seuchengefahr. Und das alles noch unter dem Zeichen von Corona. Umso höher muss man die Solidarität und Hilfsbereitschaft anrechnen, welche die Menschen vor Ort oder aus Nachbarregionen füreinander aufbringen. Wo staatliche Organisationen zu langsam, zu schwerfällig oder unfähig sind, hilft man sich selbst und packt mit an. Und das ist gut so.

Sicher, es wurden auch unbürokratische Soforthilfen versprochen, aber gab es solche Ankündigungen nicht schon zu anderen Gelegenheiten? Geld allein wird das Grundproblem auch nicht lösen. Dieses Unglück war mehr als nur ein Hochwasser. Es war ein Wink, dass wir Menschen wieder lernen müssen, achtsam umzugehen mit der Natur, die wir aus ihrem Gleichgewicht gebracht haben. Als Menschheitsfamilie sind wir letztendlich eine Schicksalsgemeinschaft, und jeder von uns trägt Verantwortung. – Christiane Maria Borrmann, brennessel Magazin

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