Fr. Dez 6th, 2024

Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Neuburg/D.

Vita: geboren in Kleve/Niederrhein, im Ruhrgebiet aufgewachsen und zur Schule gegangen, in Münster und Zürich Humanmedizin studiert, über die Stationen an den Universitäten Freiburg und Köln Weiterbildung zum Kinderarzt an der Universitäts-Kinderklinik Ulm, Schwerpunkte in Intensivmedizin, Hormonerkrankungen, Stoffwechselstörungen. Familienstand: verheiratet, vier erwachsene Kinder. Hobbies: Medizin, Philosophiegeschichte; Musizieren mit Cello und Posaune.

Was hat Sie nach Neuburg geführt?

Meine Wahl zur Leitung der Kinderklinik als Chefarzt im Jahr 1993.Die Neuburger Kinderklinik hat einen sehr guten Ruf. Viele kleine Patienten kommen von außerhalb unserer Region.
Das freut uns sehr. Unser Einzuggebiet umfasst auch einen Bereich von über 500.000 Einwohnern. Wir sind die einzige Schwerpunktklinik für Kinder- und Jugendmedizin in einem Umkreis von 100 km, abgesehen von Augsburg. Die nächsten sind erst in Regensburg, München, Nürnberg-Erlangen und in Ulm. Natürlich gehört zu unserem Einzugsgebiet auch Ingolstadt: Die Ingolstädter Kinderklinik steht sozusagen in Neuburg. Die meisten wissen auch nicht, dass wir neben der Frühgeborenen-Intensivstation in Neuburg seit 1994 eine zweite Intensivstation für Früh- und Neugeborene im Klinikum Ingolstadt betreiben. Zusammen mit der Frauenklinik in Ingolstadt und der Geburtshilfe in Neuburg sind wir für über 2400 Neugeborene pro Jahr medizinisch zuständig und deshalb als „Perinatalzentrum Neuburg/Ingolstadt“ anerkannt. Mit einem „Neugeborenen-Notarzt-Dienst“ betreuen wir weitere fünf bis sechs kleinere Geburtskliniken im Umkreis.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Ein speziell in der Neugeborenenversorgung ausgebildeter Arzt und eine entsprechende Kinderintensivschwester können jederzeit hinfahren, um ein unerwartet zu früh geborenes oder krankes neugeborenes Kind vor Ort zu behandeln und sofort in die Kinderklinik zu bringen. Diese großflächige Versorgung ist notwendig und umfasst die Krankenhäuser in Schrobenhausen, Eichstätt, Kösching, Pfaffenhofen, Weißenburg und z. T. auch Donauwörth.

Was gehört zu den Hauptaufgaben Ihrer Kinder- und Jugendklinik?

Wir sind für die oben beschriebene Region das Fachkrankenhaus für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren. Neben der Versorgung akuter Erkrankungen existieren verschiedene Schwerpunkte: außer der erwähnten Neugeborenen- und Frühgeborenen-Intensivmedizin auch die Intensivmedizin bei älteren Kindern, die Kinderkardiologie, die Anfallserkrankungen und Entwicklungsstörungen, die Atemwegskrankheiten wie Asthma, die Wachstums- und Hormonstörungen, die Blut- und Tumorerkrankungen und die Blutzuckerkrankheit im Kindsalter. Außerdem ist die Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie mit Psychotherapie der Kinderklinik ganz wichtig; neben einer großen Ambulanz besteht jetzt eine vollstationäre Versorgung mit insgesamt 25 Betten für diesen Bereich. – Neben der Krankenversorgung ist eine weitere, an mich gebundene Aufgabe, die Weiterbildung der Ärzte an der Kinderklinik zum Kinder- und Jugendarzt.

Die Ausbildung erfolgt in der Praxis und nicht in einem Studium?

In Deutschland und wie in den meisten Ländern kann man nach dem Studium der Humanmedizin mit bestandenem Staatsexamen als praktischer Arzt arbeiten. Eine anschließende Facharztausbildung z.B. zum Kinderarzt, Frauenarzt, Chirurgen usw. erfolgt immer in einer großen Klinik. Hier bei uns erlernen unter der Anleitung von mir und den Fach- und Oberärzten die angehenden Kinderärzte also alles, was sie innerhalb von fünf Jahren bis zu ihrer Facharztprüfung wissen und können müssen.

Danach und zusätzlich kann der junge Kinderarzt bei uns auch die spezielle Ausbildung in „Neonatologie“ (Neugeborenenmedizin) erwerben. Das dauert nochmals drei Jahre. – Als dritte Aufgabe ist die Fortbildung in unserem Fachgebiet zu nennen, die durch Kongressbeiträge und durch interne und externe Fortbildungsveranstaltungen für Pflegende und Ärzte an der Kinderklinik wahrgenommen wird.

Der Traumberuf vieler Mädchen ist Kinderkrankenschwester. Bilden Sie an Ihrer Klinik auch welche aus?

Ja, seit über 50 Jahren. An der Kinderklinik >St. Elisabeth< ist von unserem Träger eine Berufsfachschule für Kinderkrankenpflege integriert: Wir haben über 40 Schülerinnen in zwei Kursen, die über drei Jahre lang in Praxis und Theorie in der Kinderkrankenpflege ausgebildet werden, um dann das staatliche Examen abzulegen.

Immer wieder liest man von Spenden für „ELISA“. Wer oder was verbirgt sich hinter diesem Namen?

ELISA e.V.  ist ein Verein zur Familiennachsorge für schwerst-, chronisch- und krebskranke Kinder, den wir vor über sechs Jahren gegründet haben. Der Name leitet sich von den Kliniken >St. Elisabeth< ab. Der Verein ist organisatorisch zwar von der Kinderklinik getrennt, aber viele der Mitarbeiter sind Schwestern, Therapeuten und Ärzte der Kinderklinik, die dort z.T. ehrenamtlich mitarbeiten, um sicher zu stellen, dass schwerst erkrankte oder behinderte Kinder nach ihrer stationären Entlassung von den Eltern zu Hause, in Zusammenarbeit mit den Haus- und Kinderärzten etc., so versorgt werden können, dass es von der Familie zu leisten ist. Konkretes Beispiel: Ein früh geborenes Kind mit 1.200 g Geburtsgewicht und mit Lungenschwäche, das maschinell beatmet und wegen gefährlicher Infektionen ganz intensiv behandelt werden musste, könnte eigentlich aus der stationären Behandlung entlassen werden, weil es nun 2.300 g schwer ist. Leider muss es noch teilweise über eine Sonde ernährt werden, weil es noch nicht alleine ausreichend trinken kann. Über den Nachsorgeverein ELISA e.V. kann dann eine Kinderkrankenschwester der Mutter zu Hause bei dieser besonderen Pflegemaßnahme helfen. ELISA hilft nicht nur Kindern nach der Entlassung aus der Kinderklinik, sondern unterstützt ambulant auch die Arbeit aller im ambulanten Bereich tätigen Therapeuten und Ärzte.

Wie sehen Sie die Situation der Kinderklinik in den kommenden Jahren?

Ich bin da sehr optimistisch: In unserer Region wird die Aufgabe unserer Fachklinik eher wachsen, weil neben den akut erkrankten zunehmend auch die chronisch kranken Kinder die fachliche und apparative Kompetenz einer Kinderklinik mit unseren Spezialisierungen benötigen. Trotz der Schwierigkeiten einer adäquaten Finanzierung in den Kinderkliniken, seit Einführung der „Fallkosten-orientierten Abrechnung“ vor zwei Jahren, bin ich sehr zuversichtlich, dass die Qualität bei der stationären und spezifischen ambulanten Versorgung in der Pflege und der Medizin nicht nur beibehalten, sondern angemessen wachsen kann.

Warum hat das Geld früher im Gesundheitswesen gereicht und heute nicht mehr?

Da spielen viele Faktoren mit z.B. die Finanzierung der Sozialausgaben. Wenn die Kosten im Gesundheitswesen nur von denen getragen werden, die in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen, aber gleichzeitig der Anteil jener steigt, die versorgt werden müssen, dann macht sich das bemerkbar. Außerdem ist in den Kliniken eine Menge an Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben hinzugekommen. Ferner wurden die Arbeitszeiten des medizinischen und pflegerischen Personals durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes neu festgelegt. In der Kinder- und Jugendmedizin gab es z.B. vor 20 Jahren die Mit-Aufnahme der Eltern ins Krankenhaus noch nicht. Heutzutage werden 80-90% aller Säuglinge und Kleinkinder von ihrer Mutter begleitet. Viele Patienten bzw. Eltern wissen auch gar nicht, welche Kosten im Gesundheitswesen und speziell im Krankenhaus entstehen. Hinzu kommt manchmal ein gewisses Anspruchsdenken. Es sind also eine Menge Faktoren, die da mitspielen. Die Politik ist auch nicht ganz ehrlich, wenn sie sagt, dass die medizinische Versorgung genauso bleiben wird wie bisher, denn momentan werden aufgrund der finanziellen Lage manche Dinge zurückgenommen werden müssen. Unsere Gesellschaft muss sich fragen, wie viel Krankenversorgung sie haben möchte und wieviel sie haben muss.

Politiker kommen und gehen, aber die Gesetze bleiben.  Dann kommt zu einem schlechten Gesetz ein noch schlechteres hinzu. Und im Laufe der Zeit funktioniert gar nichts mehr….

Ja, wir regeln zu viele Dinge mit Vorgaben. Das ist auch im Krankenhausbereich so. Alle Krankenhäuser müssen sich nun einem Qualitätsvergleich stellen. Das ist ja ok. Wir haben deshalb ein Qualitätsmanagement einführen müssen, das sich an dasjenige von Industrieunternehmen orientiert. Damit sind aber nicht alle Dinge deckungsgleich geworden. Dafür waren zusätzlich auch finanzielle Anstrengungen erforderlich.

Welche Wünsche haben Sie?

Für meine berufliche Tätigkeit wünsche ich mir, dass die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin >St. Elisabeth< Neuburg zusammen mit den Kliniken  „St. Elisabeth“ auch in Zukunft ihren Auftrag erfüllen kann unter den fachlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, die zur Versorgung kranker Kinder und Jugendlicher anerkannt sind.

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