Vereinbart wurde Vertraulichkeit, dennoch sickerten Inhalte der Sondierungen durch: In wortgleichen Tweets werfen Vertreter von Grünen und FDP der Union vor, sich nicht an die Absprachen zu halten. CDU-Chef Laschet zeigt sich betrübt.
Berlin – Ganz ohne öffentliche Aufmerksamkeit wollen Grüne und FDP bei den Sondierungen nicht auskommen – wie das vielbeachtete „Selfie“ von der ersten Begegnung beweist. Ansonsten drangen aber keine Inhalte der „Zitrus“-Gespräche nach außen, schließlich wurde Stillschweigen vereinbart. Auch aus den Runden mit der SPD wurde nichts an die Medien durchgestochen.
Nach den jeweiligen Treffen der Liberalen und der Grünen mit CDU/CSU gibt es jedoch Ärger. Denn hier kam es offensichtlich zu Indiskretionen. Wer dafür verantwortlich ist, ist unklar. Grüne und FDP zeigen aber gemeinsam mit dem Finger auf die Union.
„Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“
Am Dienstag berichtete die „Bild“-Zeitung „exklusiv“ über Details des Spitzengesprächs von Union und Grünen, über das die Beteiligten ausdrücklich Vertraulichkeit vereinbart hatten. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner veröffentlichte als Reaktion auf den Bericht auf Twitter wortgleich jene Botschaft, mit der FDP-Vize Johannes Vogel am Vortag die Durchstechereien kritisiert hatte.
Kellner schrieb: „Es gab in den letzten Tagen vier Sondierungsgespräche. Aus zweien liest und hört man nix. Aus zweien werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“ Ausdrücklich dankte er dem FDP-Politiker Vogel für die „Vorlage“.
Laschet betrübt über Indiskretionen
Anlass für Vogels kritischen Tweet war ebenfalls ein Bericht der „Bild“: Dieser enthielt Informationen aus den vertraulichen Gesprächen zwischen FDP und Union. In FDP-Kreisen wurde am Dienstag die Vermutung geäußert, dass die Indiskretionen auf das Konto von Unionspolitikern gingen, die damit CDU-Chef Armin Laschet schaden wollten.
Am Dienstagnachmittag berichtete die „Bild“ dann, dass es bei dem Spitzengespräch von Union und Grünen „bei entscheidenden Themen“ keine Annäherung gegeben habe. Genannt wurden in diesem Zusammenhang drei Forderungen der Grünen: die Aufweichung des EU-Stabilitätspakts, das Ende der Verbrennungsmotors vor 2035 und eine offenere Migrationspolitik.
Laschet kritisierte nach dem Treffen mit den Grünen die Indiskretionen: „Das ist nicht gut, wenn es geschieht.“ Er wolle nicht spekulieren, woher die Indiskretionen stammten. Auch Laschet betonte: „Es nervt!“
Erinnerungen an Jamaika-Aus 2017
Die Indiskretionen wecken Erinnerungen an das Jamaika-Desaster von 2017. Damals rangen Union, FDP und Grüne um eine gemeinsame Regierung, nach vier Wochen scheiterten die mühsamen Gespräche – die Liberalen stiegen aus. Als ein Grund dafür galt, dass aus den eigentlich vertraulichen Gesprächen immer wieder Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. – BR