Eichstätt, 14. Juni 2022 (upd) – Zwanzig Jahre lang hatte Prof. Dr. Reto Luzius Fetz an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) den Lehrstuhl für Philosophie inne, ehe er 2008 in den Ruhestand verabschiedet wurde. Vor wenigen Tagen durfte der Emeritus seinen 80. Geburtstag begehen. Aus diesem Anlass wurde er am Wochenende mit einem Festakt geehrt, bei dem Weggefährten seine Verdienste in Forschung und Lehre würdigten. Eingeladen hatte der Alfons-Fleischmann-Verein, der an diesem Tag auch eine Festschrift für den Jubilar präsentierte.
Das Verfassen von Büchern ist bei Hochschullehrerinnen und -lehrern gemeinhin untrennbar mit ihrem Aufgabenprofil verbunden, und es verwundert nicht, dass auch die Publikationsliste von Reto Luzius Fetz beachtlich ist und zahlreiche Monographien und von ihm herausgegebene Werke umfasst. Doch ein Buch weckte bei seinem Erscheinen das besondere Interesse bei den Studierenden der KU, die eines späten Abends im Jahr 2004 in großer Zahl zu einer „Vorlesung“ der besonderen Art an den Campus kamen, wo Fetz seinen ersten Kriminalroman „Im Schatten des Greif“ vorstellte und signierte. In der Erzählung wird der fiktive Philosophiedozent Jean-Jacques Lacurt mit einem Mord an einem Professor Blöchli konfrontiert, der in der Universitätsbibliothek von einem Regal zerquetscht wurde. Protagonist Lacurt, das merken Leser, die den Verfasser des Krimis kennen, weist dabei manche Gemeinsamkeiten mit seinem Schöpfer auf. Und nachdem der Romancier im Hauptberuf an der KU Philosophie lehrte, ließ er die Leserschaft nicht nur an der Auflösung des Kriminalfalls teilhaben, sondern vermittelte ihnen en passant auch Kenntnisse über sein Fach, denn eine philosophische Sicht auf die Welt löst letztlich das Rätsel um den ermordeten Blöchli. 2020 veröffentlichte Reto Luzius Fetz einen zweiten Krimi. In „Nacht über Palma“ ermittelt Lacurt gleich in einer ganzen Mordserie, die sich auf Mallorca zuträgt – und wieder wird der Horizont der Leserschaft erweitert, indem ihr Wissenswertes über die Philosophie des Mittelalters und den großen Theologen Ramon Llull vermittelt wird.
Die Wissenschaft der Philosophie anregend und auch unterhaltend zu lehren, dafür war Reto Luzius Fetz bei Generationen von Studierenden der KU bekannt. Viele, die jede Woche in seinen Vorlesungen im großen Hörsaal Platz nahmen, hatten Philosophie gar nicht als Hauptfach gewählt. Für sie waren die Vorlesungen bei Fetz zwar obligatorische, aber dennoch beliebte Ergänzungen etwa ihres Lehramts- oder Journalistikstudiums. „Fetz vermittelte den Stoff verständlich, auch mit einem gewissen Unterhaltungswert, und atmosphärisch, wie es einer katholischen Universität würdig ist“, erinnerte sich Thomas Stark, heute Professor für Philosophie in St. Pölten, in seiner Lautatio beim Festakt. Seine mündlichen Ausführungen illustrierte Fetz mit umfangreichen Tafelbildern, welche die Studierenden eifrig in ihre Blöcke und Laptops übertrugen. „Vielen Studentinnen und Studenten hat Fetz zu verschiedensten Stadien der jeweiligen Studien Welten erschlossen, da er auf der Grundlage klarer Reflexionen nicht weniger klar zu erklären vermag“, schreiben Martin Euringer, langjähriger Assistent von Fetz, und Veit Neumann zu Beginn der 350-seitigen Festschrift zum 80. Geburtstag. Und so kam es nicht selten vor, dass die Vorlesungen zu „Menschsein und Personwerden“, zu den Grunddisziplinen der Erkenntnistheorie, der Ethik oder den „Liebestheorien“ freiwillig, also über das im Curriculum verlangte hinaus, besucht wurden.
Reto Luzius Fetz wurde am 9. Juni 1942 im schweizerischen Kanton Graubünden geboren, sein Dialekt verrät es sofort. Nach der Schulzeit in Chur studierte er an der Universität Fribourg Philosophie und wurde anschließend wissenschaftlicher Assistent. 1970 wurde er mit einer Arbeit über den Kirchenlehrer Thomas von Aquin promoviert (1975 unter dem Titel „Ontologie des Innerlichkeit“ erschienen). 1978 folgte die Habilitation über den britischen Mathematiker und Prozessphilosophen Alfred North Whitehead (Buchtitel: Whitehead: Prozessdenken und Substanzmetaphysik, 1981). Daraufhin zog Fetz für einen Forschungsaufenthalt nach Genf an das Institut des damals bereits betagten Jean Piaget. Über den Biologen und Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie erarbeitete Fetz eine philosophische Interpretation und entwickelte dessen genetische Erkenntnistheorie auf den Gebieten der Weltbilder, der Reflexion und der Gewissensbilder weiter (Struktur und Genese. Jean Piagets Transformation der Philosophie, 1988). Nach daran anschließender mehrjähriger Tätigkeit als Dozent an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen sowie an der Universität Bern folgte schließlich 1988 der Ruf auf den Lehrstuhl für Philosophie an der KU in Eichstätt, wo er bis zu seiner Emeritierung wirkte. Die Stadt an der Altmühl war ihm gleich sympathisch, stammt doch ein Großteil seiner barocken Fassaden von Baumeistern aus seiner Heimat Graubünden. „Das hat in mir sofort heimatliche Gefühle geweckt“, bekennt Fetz in einem in der Festschrift abgedruckten Interview.
Das für Reto Luzius Fetz verbindende Element seiner Lehr- und Forschungstätigkeit ist die philosophische Anthropologie, in der alle anderen Disziplinen des philosophischen Denkens zusammenlaufen. Ein Thema, das Fetz in seiner Eichstätter Zeit vornehmlich bewegte, war „Sein und Haben“, das ihn aus allen Perspektiven der Philosophie und Kulturgeschichte interessierte. Ein zweiter Strang seines Philosophierens befasste sich mit „Selbst und Identität“, wobei Fetz Überlegungen entwickelte, was eigentlich ein Ich ist, was der Unterschied zum Selbst ist und was die Identität eines Menschen ausmacht. Gemeinsam mit Roland Hagenbüchle gab er zu dieser Thematik den zweibändigen Sammelband „Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität“ (1988) heraus. Neben den schon erwähnten Werken zu Whitehead und Piaget veröffentlichte Fetz zu Ernst Cassirer (Lebendige Form. Zur Metaphysik des Symbolischen in Ernst Cassirers „Nachgelassenen Manuskripten und Texten“, 2008 herausgegeben zusammen Sebastian Ullrich) und zur jüdischen Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein (1993). Schließlich galt sein Interesse den Weltbildkonstruktionen, hierzu gab er eine Langzeitstudie heraus („Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis – eine strukturgenetische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen“, 2001). 2010 gründete er gemeinsam mit Melanie Graeßner das „Institut für Sinnforschung“ sowie die „Akademie für Logotherapie und Existenzanalyse“ in Ingolstadt.
Zum Festakt am Wochenende kamen rund 50 Kollegen und Weggefährten, darunter viele Angehörige der beiden katholischen Studentenverbindungen Alcimonia Eichstätt und Aureo-Danubia Ingolstadt, denen Fetz angehört. Prof. Dr. Walter Schweidler, Nachfolger von Fetz auf dem Lehrstuhl für Philosophie, hielt einen Festvortrag über „Goethe und die Philosophie“. Dabei hob Schweidler die feine Distanz hervor, die der große Schriftsteller gegenüber der Philosophie wahrte, die er dennoch schätzte, indem er sie nicht ohne Ironie, zumal in seinen literarischen Werken, behandelte. Die Alterswerke Goethes, die auf ihre Art Weisheit atmen, gäben darüber beredt Auskunft, so Schweidler. „Es ist ein Trost, dass man erfahren kann, dass man mit 80 Jahren noch die schönsten Werke schreiben kann“, antwortete Fetz in seinen Dankesworten.
Zwei Grundsätze habe er im Leben stets versucht zu beherzigen, sagte der Jubilar abschließend. Wichtig sei ihm „das Lob des unmittelbar gelebten Lebens, in unmittelbarem Kontakt mit der Gegenwart“. Er sei dankbar für ein glückliches und gelungenes Leben und dass er seiner Leidenschaft, der Philosophie, habe nachgehen können. „Beruf und Liebhaberei waren identisch.“ Wichtig sei aber ebenso: „Wenn Du das Leben genießt, genieße es nie auf Kosten anderer.“ – Constantin Schulte Strathaus, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Bild – Überreichung der Festschrift an Prof. Dr. Reto Luzius Fetz (Mitte) mit Emanuela Sutter, Journalistin bei der „Tagespost“ und Mitherausgeber Prof. Dr. Veit Neumann. (Fotos: Klenk/upd)