Fr. Apr 19th, 2024

Kabinett beschließt Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes – Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: Arbeit der Sicherheitsbehörden an Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst

München – Auf Vorschlag von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat das Kabinett heute einen Entwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) beschlossen, mit dem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden sollen. Das höchste deutsche Gericht hatte am 26. April 2022 die gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz erhobene Verfassungs-beschwerde zum Anlass genommen, ein Grundsatzurteil zu den Befugnissen des Verfassungsschutzes zu treffen und dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung bis zum 31. Juli 2023 eingeräumt. „Unser Entwurf stützt sich auf die intensiven Vorarbeiten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die das Bundesinnenministerium unmittelbar nach dem Urteil initiiert hat“, erläuterte der bayerische Innenminister. „Die Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, die das Gericht im Kern nicht beanstandet hatte, werden damit in verfassungskonformer Weise im Einzelnen gesetzlich ausgestaltet, leider aber auch zu Lasten der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden“, so Herrmann.

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem Grundsatzurteil nicht nur unmissverständlich klargestellt, dass der Verfassungsschutz einen wesentlichen Baustein in der wehrhaften Demokratie bildet, zu der sich das Grundgesetz ganz bewusst entschieden habe, sondern auch mehrere Vorschriften des BayVSG für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Unter anderem hatte das Gericht gefordert, die „Beobachtungsbedürftigkeit“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen nach ihrer Dringlichkeit in mehrere Stufen einzuteilen und diese den Befugnissen des Verfassungsschutzes zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel entsprechend ihrer jeweiligen Eingriffstiefe zuzuordnen. „Der Entwurf sieht jetzt ein fein ausdifferenziertes System zur Bewertung der jeweiligen Bestrebungen vor, das sich eng an den Kriterien orientiert, die das Bundesverfassungsgericht hierfür benannt hat. Entscheidend kommt es auf die Gewaltbereitschaft, das Maß der Abschottung und die gesellschaftliche Wirkmacht der jeweiligen Bestrebung an“, erläuterte Bayerns Innenminister. „Während bei geringer Beobachtungsbedürftigkeit nur Aufklärungsmittel geringer Eingriffstiefe, wie zum Beispiel die punktuelle Ortung eines Handys in Betracht kommen, können bei erheblicher und gesteigerter Beobachtungsbedürftigkeit auch eingriffsintensivere Mittel wie eine längerfristige Observation oder der Einsatz von Vertrauensleuten eingesetzt werden.“

Als unabhängige Vorabkontrolle bei eingriffsintensiveren Maßnahmen sieht der Entwurf künftig die Prüfung durch einen Richter vor, wie sie das Gesetz schon in seiner bisherigen Fassung für die Befugnisse zur Wohnraumüberwachung und zur Online-Datenerhebung vorschreibt.

Für die Zusammenarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz mit anderen Behörden bedeutet die Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben eine deutliche Einschränkung: „Nachdem das Gericht eine Informationsweitergabe an Strafverfolgungsbehörden nur bei konkretem Verdacht für eine besonders schwere Straftat zugelassen hat, führt dies künftig dazu, dass der Verfassungsschutz selbst bei Straftaten wie etwa einer einfachen Köperverletzung, einer Volksverhetzung oder anderen Staatsschutzdelikten schweigen muss und die Polizei nicht informieren darf“, so Herrmann weiter. „Damit wird die für die Verhinderung von Anschlägen so wichtige Zusammenarbeit nun wieder deutlich erschwert.“ Wie unter anderem die Untersuchungsausschüsse zum NSU und zu Anis Amri eindeutig gezeigt hätten, brauchen wir gerade mehr Informationsaustausch, so der bayerische Innenminister. „Warum der Verfassungsschutz einen Neonazi, der einen Juden oder einen Moslem verprügelt, nicht anzeigen darf, leuchtet mir nicht ein.“

Die vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe wird nun den Regierungsfraktionen zugeleitet und kann von diesen als Änderungsantrag zum bereits im Landtag befindlichen Gesetzentwurf zur Änderung des BayVSG und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (LT-Drs. 18/21537), mit dem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Bestandsdatenauskunft umgesetzt werden sollten, eingebracht werden. Die Formulierungshilfe kann hier abgerufen werden. Der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist unter https://www.imk2022.bayern.de/ verfügbar. – Oliver Platzer, Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

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