Sa. Apr 20th, 2024

Stadtpfarrer und Dekan in Rain/Lech

Vita: gebürtig aus Unterschnaitbach bei Aichach, 5 Geschwister, aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, 8 Jahre Volksschule, 2 Jahre landwirtschaftliche Berufsschule, Abitur am Spätberufenen-Seminar Waldram bei Wolfratshausen, ab 1974 Pfarrer in Wertingen, seit 1. März 1990 Pfarrer in Rain/Lech

Wann sind Sie auf die Idee gekommen, Pfarrer werden zu wollen?

Zuerst besuchte ich 8 Jahre lang die örtliche Dorfschule und weil wir zuhause eine Landwirtschaft hatten, ging ich anschließend 2 Jahre lang auf die landwirtschaftliche Berufsschule. Dann stellte ich mir die Frage: „Bleibe ich Landwirt oder ist ein Beruf, der mit Menschen zu tun hat für mich erstrebenswerter?“ Ich erfuhr, dass es ein Spätberufenen-Seminar gibt, in dem man in fünf Jahren, das humanistische Abitur machen kann. Mein Lehrer hatte damals immer zu mir gesagt: „Komm’ mach’ das doch, das packst du schon!“ So entschloss ich mich, das Spätberufenen-Seminar Waldram bei Wolfratshausen zu beginnen. Als ich 1962 das Abitur in der Tasche hatte, wollte ich etwas machen, wo ich mit Menschen zu tun hatte. Die Frage war: Lehrer oder Pfarrer? Ich entschied mich für den Beruf des Pfarrers, weil ich für alle Menschen in allen Altersschichten, in allen Lebenslagen und Situationen da sein wollte. Ich denke, dass es für mich die richtige Entscheidung war.

Was hat Sie nach Rain geführt?

Ich war längere Zeit Pfarrer in Wertingen, wollte aber immer vom Schwäbischen ins Bayerische zurückkommen. Es ist doch etwas heimatlicher, wenn man bayerisch redet und bayerisch auch verstanden wird.

Herr Pfarrer Menzinger, immer mehr Menschen leben heutzutage allein, als Single oder als Geschiedene. Wie sehen Sie das Ganze?

Das wird unser großes Problem werden, sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Es gibt sicherlich Fälle, wo man sagen muss: Es ist besser, wenn dieses Paar auseinander geht. Auf der anderen Seite geht man heutzutage leider viel zu schnell auseinander. Sehr viele Kinder leiden darunter, dass sich die Eltern haben scheiden lassen.

Die Gesellschaft, das Leben wird immer schneller. Viele leiden unter dieser Entwicklung.

Es ist verrückt, wenn wir alle – vom Kind bis zum Greis – immer sagen: „Ich habe keine Zeit.“ In einer Zeit, in der wir im Gegensatz zu früher schnellere Möglichkeiten und viel mehr technische Hilfe im Alltag haben, keine Zeit zu haben, da stimmt etwas nicht. Ich sage immer: „Zeit haben ist nicht eine Angelegenheit der Uhr, sondern des Herzens!“ Das Entscheidende ist, wir müssen mehr auf die menschliche Basis zurückkommen. Wenn wir nur noch das Materielle sehen, Geld, Besitz, das Ansehen und den Erfolg im Beruf und nicht mehr den Menschen und seine unterschiedlichen Begabungen schätzen, dann meine ich, wird es in unserer Gesellschaft sehr schwierig werden.

Thema Jugendkriminalität: Wo sehen Sie die Ursache dafür?

Eigentlich in der Erziehung und in der Familie. Man nimmt den Kindern alles ab. Man stellt keine Forderungen mehr an sie. Der Mensch aber braucht Imperative. (Elterliche) Liebe, die keine Grenzen setzt, ist falsch! Das ist ein Ansatzpunkt. 2. Viele Jugendliche haben keine oder zu wenig Möglichkeiten, sich an Vorbildern zu orientieren. Nun sind wir wieder bei der Familie. 3. Meiner Meinung nach haben auch die Medien viel Schuld, die manches vorführen.

In Kürze ist Ostern. Vor kirchlichen Feiertagen gehen viele gläubige Katholiken zum Beichten oder in einen Bußgottesdienst. Sollte man das nicht öfters machen?

Das wäre natürlich schon der „gehobenere Weg des Menschseins“, wenn man sich immer wieder fragt: „Wo stehe ich? Wo muss ich anders handeln?“ Aber ich bin schon froh, dass die Leute an Weihnachten und Ostern überlegen: „Wie sieht es in meinem Leben aus? Was ist nicht in Ordnung? Was sollte ich ändern?“ Der Bußgottesdienst, den wir jetzt auch in der katholischen Kirche haben, ist eine Form der Vergebung. Das persönliche (Beicht-) Gespräch würde ich als große Hilfe ansehen, weil der Gläubige darüber reden kann, was er auf dem Herzen hat. Wir hätten bei weitem nicht so viele psychisch erkrankte Menschen, wenn man mehr reden würde. Eine große Schuld, die nicht ausgesprochen ist, ist für einen persönlich wesentlich schwieriger zu verarbeiten, als die ausgesprochene Schuld. Jeder Mensch macht Fehler. Jeder hat das Recht Fehler einzugestehen und dann die Fehler verziehen zu bekommen.

Weil wir gerade beim Thema Schuld sind. Was sind eigentlich „Todsünden“?

Früher war es die Abwendung vom Glauben, Mord und Ehebruch. Das waren die drei klassischen Todsünden. Man musste diese in der Urkirche öffentlich vor der Gemeinde bekennen. Die Todsünden werden heutzutage so definiert: eine schwere Sache, klare Einsicht und freie Entscheidung. Wenn man also Gott oder einen Menschen schwer schädigt, dann haben wir diesen Begriff der „Todsünde“.

Was raten Sie allen, um zu einer positiven Lebenseinstellung zu gelangen?

Sich jeden Tag freuen, dass man lebt. Zu jedem Tag – ob er schwierig ist oder nicht – ja zu sagen und zu wissen – grad durch Ostern und die Auferstehung Jesu – mein Leben ist nicht in die Grenzen zwischen 0 und 100 Jahren eingespannt, sondern unser Leben geht unvorstellbar schön beim Herrgott weiter.

Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft?

Dass viele Menschen sehen, dass ihre Mitmenschen wichtig sind. Dass es weiter so gut geht mit der Offenheit und Spendenfreudigkeit für andere, sei es hier am Ort oder weltweit. Und der letzte Wunsch wäre, dass der Mensch wieder merkt, wenn er das tragende Fundament des Glaubens hat, dass sein Leben wertvoll und ewigkeitstauglich ist.

Was wünschen Sie unseren Lesern?

Geldsucht, Ich-Sucht und Geltungssucht sind die großen Verführer der Menschen heute. Sie machen blind und – wie es in der Bibel heißt – „bescheren uns ein Herz aus Stein“. Ich wünsche allen ein großes, weites Herz und dass sie Freude am Leben haben. Freude kommt aus Zufriedenheit und Dankbarkeit. Ich wünsche, dass sie erkennen, welcher Vorteil es ist, in diesem Teil der Erde leben zu dürfen. Ich war zwischen Sibirien und Australien unterwegs. Wir waren in den Slums von Rio genauso wie in den Elendsvierteln von Pusan in Korea. Ich wünsche allen Leuten hier, dass sie dankbar anerkennen: „Ja, wir haben hier ein Stückchen Paradies auf Erden, das wir pflegen müssen und auch dafür Sorge tragen, dass möglichst viele Menschen, dort wo sie leben, ebenfalls ein Stückchen Paradies erfahren dürfen.

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