Eichstätt (upd). Wie wichtig es ist, privat für das Alter vorzusorgen, ist wohl den meisten Menschen klar. Dennoch scheuen sich viele davor – aus Unwissen und Angst vor teuren Fehlern. Gerade für unerfahrene Anleger könnte Künstliche Intelligenz eine einfache und kostengünstige Hilfe sein. Welche Chancen und Risiken KI in der Anlageberatung bietet, untersucht Prof. Dr. David Streich von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt.
Das Projekt „Künstliche Intelligenz in der privaten Altersvorsorge: Chancen und Risiken“ ist eine Kooperation zwischen der KU unter Leitung von Streich und der Technischen Universität Dresden unter Leitung von Prof. Dr. Lars Hornuf. An der Schnittstelle von Finanzwirtschaft, Verhaltenswissenschaft und Wirtschaftsinformatik widmen sich Streich und Hornuf sogenannten Large Language Modellen (LLMs) wie ChatGPT. Solche KI-Anwendungen können nicht nur Texte in menschlicher Sprache verstehen und selbst generieren, sondern dabei auch zunehmend komplexe Aufgaben bearbeiten. In ihrem DFG-Projekt konzentrieren sich die Wirtschaftswissenschaftler ab Frühjahr 2025 auf den Einsatz von LLMs zur Generierung von Anlageempfehlungen für die private Altersvorsorge.
Ein Bereich mit großem Potential für die Nutzung von KI, wie sie betonen. Mit abnehmender Tragfähigkeit der gesetzlichen Altersvorsorge seien die Menschen zunehmend darauf angewiesen, kapitalmarktbasiert anzulegen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass die Finanzexpertise und entsprechend die Aktienquote gering sei: Nur rund 18 Prozent der deutschen Erwachsenen besitzen Aktien. Diejenigen, die investieren, begehen teils kostspielige Fehler – und auch menschliche Anlageberater schaffen nur bis zu einem gewissen Grad Abhilfe. „Eine Studie mit kanadischen Anlageberaterinnen und -beratern zeigte, dass diese ihre Portfolioempfehlungen nicht ausreichend auf die Umstände ihrer Kunden zuschneiden und im Wesentlichen ihre eigene, teils suboptimale, Anlagestrategie empfehlen“, sagt David Streich, der an der WFI die Juniorprofessur für Digital Finance innehat. Hinzu kommen Eigeninteressen – insbesondere bei Bankberatern, die einen finanziellen Anreiz haben, die hauseigenen Produkte zu verkaufen.
Dagegen ließen erste Studien annehmen, dass LLMs in der Lage sein könnten, passende Anlageempfehlungen zu geben. „LLMs können im Gegensatz zu menschlichen Anlegern große Mengen unstrukturierte, für den Kapitalmarkt relevante Informationen verarbeiten und in eine Anlagestrategie übersetzen“, sagt David Streich. Da Wertpapierpreise auf die Veröffentlichung neuer Informationen reagieren, ist das ein Vorteil der KI-Tools.
Wie nützlich die KI-generierten Anlageempfehlungen in der Praxis tatsächlich sind, hängt von ihrer Qualität und ihrer Akzeptanz durch die Nutzerinnen und Nutzer ab. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, ist eine zentrale Frage des DFG-Projekts. „Wir planen unter anderem in Laborexperimenten zu beobachten, wie die Interaktion mit KI-Tools abläuft“, erklärt KU-Professor Streich. Zu erwarten sei, dass insbesondere die Transparenz und das Verständnis der Entscheidungsprozesse der KI wichtig seien. Spannend sei zudem, wie Akzeptanz und Antwortzeit zusammenhängen. Eine zu schnelle Antwort könne unmenschlich und damit eventuell negativ wirken – andererseits aber auch besonders professionell.
In weiteren Teilprojekten widmen sich die Wirtschaftswissenschaftler den potenziellen Risiken der Nutzung von KI. Neben möglicher Probleme im Bereich Datenschutz geht es insbesondere um algorithmische Verzerrungen. „LLMs werden anhand von Texten trainiert, die von Menschen verfasst wurden. Damit besteht das Risiko, dass im Trainingsdatensatz enthaltene Verzerrungen übernommen und repliziert werden“, erläutert David Streich. In vorläufigen Ergebnissen stellten Streich und Hornuf beispielsweise fest, dass LLMs heimische Aktien übergewichteten und damit den sogenannten „home bias“ reproduzierten. In einem zweiten Schritt wird zudem untersucht, wie die Nutzer auf verzerrte Empfehlungen reagieren. Möglicherweise stoße eine unverzerrte Empfehlung angesichts der verbreiteten Präferenz für heimische Aktien sogar auf geringere Akzeptanz als eine – entsprechend der Gewohnheit der Anleger – verzerrte Empfehlung.
Ob und inwiefern ChatGPT und ähnliche KI-Tools vor diesem Hintergrund künftig tatsächlich einen einfachen und kostengünstigen Zugang zu qualitativ hochwertiger Anlageberatung ermöglichen, ist die große Frage, die Streich und Hornuf in den kommenden drei Jahren beantworten wollen. – Dr. Petra Hemmelmann, KU Eichstätt-Ingolstadt