Fr. Okt 4th, 2024

Eichstätter Busunternehmer & Visionär!

Redet man über den regionalen Nahverkehr füllt ganz automatisch der Name Jägle-Busunternehmen. Seit Generationen hat sich die Familie der Beförderung von Personen verschrieben und somit in der Region einen Namen gemacht. Karl Jägle war bei dem Ausbau des Unternehmens nach dem Krieg maßgeblich beteiligt und engagiert sich in vorbildlicher Weise in vielen Sparten des öffentlichen Lebens. Mit Karl Jägle interviewt brennessel den ersten „Eichstätter Kopf“, der aber in gewisser Weise auch ein „Neuburger“ ist…

Karl Jägle – Jahrgang ‘44

Eine schwere Zeit möchte man meinen – die Nachkriegszeit – aber nicht für Kinder… “Wir, meine beiden Brüder und ich, hatten eine unbeschwerte und sehr freizügige Kindheit. Begriffe wie Pädagogik oder Sozialpsychologie spielten noch keine gewichtige Rolle, ging es doch in erster Linie um den Wiederaufbau der Infrastruktur, die Wiederaufnahme der Geschäftigkeiten, schlicht um Arbeit und wieder Arbeit. Die Kinder waren in der damaligen Zeit an den Gewerken der Erwachsenen nur bedingt beteiligt und hatten somit viele Freiräume, die natürlich genutzt wurden. Man konnte im Prinzip machen was man will. Das ist heutzutage kaum nachzuvollziehen. Der Begriff Freiheit hatte damals hohe Gültigkeit, obwohl wir das wohl so nie definiert hätten, es war einfach normal. Man wurde in keine Schablone gepresst, unsere Medien waren Baustellen, Natur und Abenteuer! Selbständiges Handeln wurde hier spielerisch erlernt.”

Der berufliche Einstieg

“Nachdem ich die Ingolstädter Handelsschule nicht geschafft habe und eine Klasse hätte wiederholen müssen, kam ich morgens um 11 Uhr mit dem Zeugnis nach Hause. Um 12.30 musste ich hernach im väterlichen Betrieb mit der Arbeit beginnen. Damit war der berufliche Werdegang entschieden. Der Vater hat gesagt, ‘wenn Du nicht lernen willst, dann musst Du arbeiten – Ende!’ Im Nachhinein hat diese Entscheidung gepasst. Schließlich habe ich dann Automechaniker gelernt und später meinen Meistertitel erworben. Zwar bin ich zwanghaft in den Beruf des Mechanikers hineingeworfen worden, doch wurde es mit den Jahren meine Passion – ich bin Kfz-Mechaniker mit Leib und Seele. Das war auch notwendig, denn wir hatten bis Ende der 80er Jahre noch einen Kfz-Betrieb, eine Opel-Vertretung, unter unser Fittiche. Gleichsam lief aber schon unser Busunternehmen, dass sich sukzessive mit den Beförderungsbedürfnissen der Bevölkerung erweitert hat. Schließlich verfügten wir über dementsprechende einschlägige Erfahrung durch unseren Vater, der vor 100 Jahren bereits mit Kutschen Personen in der Region beförderte.”

Schon früh in die Verantwortung

“Im Alter von 21 Jahren habe ich den Betrieb mit meinen Brüdern zusammen übernommen. Selbstverständlich kommt es zwischen Brüdern zu Zwistigkeiten, aber Unstimmigkeiten werden bei uns sachlich ausgetragen. Auch die Aufgabenverteilung hat gepasst. Meine Brüder waren für den Verkauf und die Buchhaltung zuständig und ich kümmerte mich um die Werkstatt. Aufgrund unseres jungen Alters war es eine schwere Zeit, da vor allem den Banken das Vertrauen mangelte. Mit den Jahren wuchs aber die Akzeptanz, sodass wir das Geschäft langsam und stetig ausbauen konnten. Ein ganz besonderer Vorteil dabei war, dass wir es allesamt verstehen mit Kunden umzugehen – unsere Mutter hatte uns damals oft zu Kundengesprächen mitgenommen, so dass wir ‘learning by doing’ praktizierten.”

Aufstieg des Busunternehmens

“Für das Busunternehmen war mein Bruder Wolfgang zuständig. Erst nach dem Wegfall des Autohauses 1989 stiegen wir mit ins Busunternehmen ein. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Regionalverkehr ausgebaut auf Ingolstadt, Beilngries und Neuburg. Zusätzlich erwarben wir nach der Privatisierung gemeinsam mit einem Konsortium die Regionalbus Augsburg, bei der Wolfgang heute noch Geschäftsführer ist. Somit waren die Grundlagen zur weiteren Entwicklung des Unternehmens gelegt.”

Öffentliche und gemeinnützige Positionen kommen mit dem Alter…

“Irgendwie wird man mit zunehmenden Alter ganz automatisch in gewisse Gremien berufen. So wurde ich beinahe fließend zu meiner beruflichen Karriere ins Industrie- und Handelskammer-Gremium aufgenommen. Urplötzlich findet man sich im Aufsichtsrat der Volksbank Eichstätt wieder. Seit drei Jahren bin ich dort Aufsichtsratsvorsitzender. Das passiert fast ‘ohne eigenes Zutun’ – die Dinge wachsen einem zu… All’ dies’ ist ohne eine ‘intakte’ Familie nicht möglich. Ich denke, das haben alle ‘Verdienten’ um unsere Region gemein – den Rückhalt in der Familie. Ich bin mit meiner Frau seit 30 Jahren verheiratet und wir freuen uns über eine Tochter und zwei Söhne. Wenn ich zu Hause bin, brauche ich einen ruhenden Pol, um wieder aufzutanken.”

Etwas bewegen…

“Erfolg kann man nur haben, wenn man über Jahre und Jahrzehnte seine Geschäfte äußerst korrekt handelt. Es kann nicht darum gehen, wie heutzutage irrtümlich angenommen wird, das Geld schnell abzugreifen oder jemanden über den Tisch zu ziehen. Das gelingt vielleicht einmal, aber es nicht von Dauer. Die alten Tugenden wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit müssen bei einem Geschäft für jedermann transparent sein – und das geht wiederum nur mit Kontinuität! Auf Dauer betrachtet sind diese Tugenden das Fundament eines Betriebes und letztendlich auch einer anerkannten Person des öffentlichen Lebens, im Kleinen wie im Großen.”

Herausforderungen der Gegenwart & Zukunft

“Bedauerlich ist, dass das was in Jahrzehnten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch freies Unternehmertum auf die Beine gestellt wurde, nun tendenziell von den Kommunen in Frage gestellt wird, indem diese Ansprüche und Mitsprache an den ÖPNV stellen. Was dabei vergessen wird ist, dass das ganze KnowHow und das gesamte Netzwerk ein derart kompliziertes ist, dass nicht so ohne weiteres von einer kleinen Abteilung einer Kommune umgesetzt werden kann. Hierfür sind gewachsenen Strukturen erforderlich, die ein freies Unternehmen kostendeckend installiert hat. Wie die Vergangenheit insbesondere in den Großstädten gezeigt hat, sind Kommunen schlicht und einfach nicht in der Lage den ÖPNV finanzierbar zu gestalten – die Folge ist eine Kostenexplosion. Erklären wir es an einem Beispiel: Eine Buslinie fährt über Jahre eine Siedlung an, die erst vor kurzem gebaut worden ist. Hier gibt es Kinder und junge beruftstätige Eltern. Beide Gruppen brauchen dringend eine Haltestelle. Bei Überalterung der Siedlung fallen Kinder und Berufstätige zunehmend weg. Der Busunternehmer handelt und verringert die Kapazität – die anfahrenden Busse werden kleiner, vielleicht wird sogar eines Tages die Linie eingestellt. Beim Handling einer Kommune hätte ich meine Bedenken. Bis die Bevölkerungsstatistik auf die Buslinien greift, fährt der Bus bereits jahrelang uneffektiv, sprich’, er fährt Verluste ein, die kaum auszugleichen sind. Die Folge ist ein Chaos und vor allem unzufriedene Fahrgäste wie Busfahrer…”

Der Tourismus ist die Zukunft!

“Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem IHK-Gremium die Installation der Stiftungsprofessur angeschoben. Bei der Bewerbung des Tourismus in der Region sind einzelne Kommunen überfordert – so der einhellige Konsens des Gremiums. Wer kennt schon eine Stadt in der Toskana. Die Toskana hingegen ist ein Markenbegriff. Dieselbe Verfahrensweise muss in der Region 10 angewandt werden, denn der Tourist kennt keinerlei Landkreisgrenzen, genausowenig wie der Einheimische in seinem Konsumverhalten. Dem ist es auch ziemlich egal, ob er im Landkreis Ingolstadt einkauft oder Neuburg oder Eichstätt. Die Stiftungsprofessur hat u.a. die ein Konzept zur Bewerbung der gesamten Region zu erarbeiten, um die Vorzüge als Produktbündelung klar herauszuarbeiten. In unserer Region gibt es z.B. noch traditionsreiche Handwerksberufe. Da können sie in einem Ballungszentrum lange suchen… Aber genau das ist der Punkt. Diese Ressourcen gilt es aufzubereiten und dem Publikum zu offerieren, egal ob Handwerk, Kunsthandwerk oder Marmorabbau. Diese Vorzüge gilt es zu verknüpfen mit dem was überregional bekannt ist, wie z.B. das Audi-Museum, Hopfengebiet Holledau/Pfaffenhofen, Fahrradfahren im Naturpark, Eichstätt Barock, Neuburg Renaissance, Donau & Altmühl, Weißenburger & Limes etc. etc. Im Prinzip ist bereits alles, nur die Verknüpfung mangelt. Die Vielfalt ist aber der Grund warum ein Tourist kommt und evtl. auch länger bleibt. Dies muss die Aufgabe für die Zukunft sein – die Tourismus-Professur ist ein Schritt in die richtige Richtung! Ziel ist es, uns in einem größeren Europa mittelfristig als attraktive Region zu präsentieren. Für mich persönlich wünsche ich mir nicht viel – es passt alles, ich bin zufrieden.”

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