Wegen der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus fürchten viele Experten personelle Engpässe bei der kritischen Infrastruktur. Deshalb ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob sich die Quarantäne-Zeit verkürzen lässt.
München – Den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts folgend sollen Menschen, die sich mit der Omikron-Variante des Coronavirus angesteckt haben, und deren Kontaktpersonen für 14 Tage in Quarantäne, ob sie geimpft oder genesen sind, spielt dabei keine Rolle. Da sich die hochansteckende Mutation derzeit aber so rasant ausbreitet, fürchten viele Experten personelle Engpässe, auch bei kritischer Infrastruktur – also etwa bei Polizei und Feuerwehr sowie im Gesundheitswesen.
Deutscher Landkreistag ist für kürzere Quarantäne
Deshalb werden die Forderungen nach einer verkürzten Quarantäne – zumindest bei symptomlosen Infizierten – lauter. Der Präsident des Deutschen Landkreistages etwa, Reinhard Sager, sprach sich im Gespräch mit der Funke Mediengruppe dafür aus. „Omikron ist stärker, aber auch kürzer ansteckend. Da ist es folgerichtig, die Quarantäneregeln anzupassen, verbunden mit der Möglichkeit zur Freitestung“, sagte er.
Differenzierter Umgang mit der Omikron-Welle
In der Medizin ist eine solche Verkürzung der Quarantäne umstritten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hält sie für vertretbar. Im „Tagesspiegel“ erklärte er, das wäre ein pragmatischer Weg, um bei hohen Ansteckungszahlen dafür zu sorgen, dass die kritische Infrastruktur nicht zusammenbricht. Angesichts der zu erwartenden Omikron-Welle sei ein differenzierter Umgang mit der Situation notwendig, das bedeute aber nicht, dass Deutschland die Strategie der Verseuchung wählen solle.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, warnt dagegen gerade bei Menschen, die in entsprechenden Berufen arbeiten, vor einer kürzeren Quarantäne. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er, ein flächendeckender Einsatz von infizierten, symptomlosen Mitarbeitern in der kritischen Infrastruktur sei ein zu hohes Risiko, gerade auch im Gesundheitswesen für vulnerable Gruppen. „Es wäre den Mitarbeitern auch schwer zu vermitteln, mit viel Aufwand Infektionsschutz zu betreiben, während Kollegen infektiös am Krankenbett stehen“, erklärte Gaß weiter.
Er forderte deshalb valide Daten über die Infektionslage und mehr Daten über Omikron, um eine Entscheidung treffen zu können, ob eine Verkürzung der Quarantäne durch frühzeitiges Freitesten möglich sei.
Bayerns Gesundheitsministerium will schnell Klarheit vom RKI
Das bayerische Gesundheitsministerium hält eine Verkürzung der Quarantäne prinzipiell für möglich. Eine Sprecherin sagte, es gebe erste Erkenntnisse, dass die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch bei Omikron kürzer sei. Das sei der Ausgangspunkt von Überlegungen, die Quarantäne für enge Kontaktpersonen zu verkürzen. Nach Kenntnis des bayerischen Gesundheitsministeriums berate das Robert Koch-Institut derzeit über eine Anpassung der Quarantäne-Regeln.
Diese Empfehlungen sollten abgewartet werden, um ein bundesweit einheitliches, fundiertes Vorgehen zu gewährleisten. Bayern setze sich aber mit Nachdruck dafür ein, dass die Empfehlungen so schnell wie möglich veröffentlicht werden. Der Freistaat würde seine Maßnahmen dann entsprechend anpassen.
Bereits massive Personalausfälle in anderen Ländern
In anderen Ländern wirkt sich die Omikron-Welle bereits deutlich in vielen Branchen aus. In England hat sich die Zahl der Krankenhausmitarbeiter, die wegen Corona ausfallen, laut Daten des nationalen Gesundheitsdienstes binnen eines Monats verdoppelt. Demnach befanden sich am 26. Dezember 24.000 Beschäftigte in Quarantäne, weil sie sich selbst angesteckt haben oder Kontakt mit einem Infizierten hatten.
In den USA haben Fluggesellschaften diese Woche zahlreiche Flüge gestrichen, weil es an Personal fehlte. Da auch das Gesundheitssystem massiv von personellen Engpässen betroffen war, hat die US-Gesundheitsbehörde CDC am Montag reagiert und ihre Quarantäne-Empfehlung geändert: Statt zehn Tage sind es dort jetzt nur noch fünf Tage. Auch die Quarantäne für Erstkontakte wurde verkürzt.
In Deutschland ist es noch zu keinen vergleichbaren Beeinträchtigungen gekommen. In Bayern sind in den vergangenen Tagen aber immer wieder Züge ausgefallen, unter anderem weil Lokführer in Quarantäne waren. Betroffen war vor allem der S-Bahnverkehr in Nürnberg und München. – BR