Mo. Dez 2nd, 2024

Wie Jugendliche zu Terroristen werdenDer neue Film von Luca Zug und Alexander Spöri
München – William, 21 Jahre – erschießt in den USA zwei Mitschüler an seiner High-School. David, 18 Jahre – ermordet in München neun Menschen an einem Einkaufszentrum. Paul (geänderter Name), 15 Jahre – will in Süddeutschland seine Schule in die Luft jagen.Ausstrahlungen im FernsehenArte Deutschland 05. Juli 23:20Arte Frankreich 06. Juli 00:00Das Erste (ARD) 18. Juli 22:55Bayerischer Rundfunk (BR) 20. Juli 22:00Online Mediathek Arte ab jetzt (Link)

In diesem Film geht es nicht nur um diese drei Jugendlichen mit gefährlichen Mordfantasien. Es geht darum, zu verstehen, warum viele grauenvolle Anschlage auf der ganzen Welt ausgerechnet auf das Konto Heranwachsender gehen und wie diese skrupellosen Anschlagsfantasien überhaupt entstehen. Dabei werden wir entdecken, dass die Täter nicht nur gewaltverherrlichende Postings im Internet einte, sondern, dass sie Teil eines Online- Netzwerks waren, in dem sie sich vor ihren Taten regelmäßig untereinander austauschten. Wir zeigen wie aus Jugendlichen Terroristen werden.

Was genau sind Steam und Discord?
Dabei handelt es sich um Spiele-Plattformen im Internet, auf denen es moderne Computer- Games zum Download gibt. Jeden Tag spielen dort bis zu 50 Millionen Menschen. Sie zocken nicht nur, sondern schreiben gleichzeitig in unzähligen Onlineforen miteinander. Oft geht es in ihren Nachrichten nur um die Spielewelt, doch in manchen Gruppen wimmelt es auch von anderen, gefährlichen Gedanken: Hass gegenüber Ausländern, Juden, Muslimen und
Verherrlichung rechtsextremer Fantasien und Verschwörungstheorien. In diesen Gruppen: Eine Vielzahl von Jugendlichen, die sich von diesen Postings besonders beeinflussen lassen.

Alexander Spöri und Luca Zug (20, beide aus dem Landkreis München), mit ihrer Firma moviejam Gewinner des Kulturpreises des Süddeutschen Zeitung 2018/19 und des Kulturförderpreises 2021 im Landkreis München, sind die Ideengeber dieses Filmprojekts. Zwei junge Autoren, die sich intrinsisch schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigen. Direkt nach dem Anschlag am OEZ machten Spöri und Zug den ersten Film über die Verstorbenen, zusammen mit den Angehörigen der Opfer. Bis heute verstehen wir nicht abschließend, wieso es damals soweit kommen konnte, dass ein Jugendlicher in München um sich schießt.

Die beiden jungen Erwachsenen begeben sich auf eine Recherche-Story: Investigativ, authentisch und miterlebbar. Zusammen mit der renommierten Münchner Filmproduktionsfirma Bilderfest GmbH (ARD Hirschhausen, ARD Leschs Kosmos, ServusTV P.M. Wissen) arbeiten sie an ihrem neuen, ersten TV-Filmprojekt Liken.Hassen.Töten für Arte und den Bayerischen Rundfunk.

Die ersten Recherchen zu diesem Film beginnen im Jahr 2016. Zug und Spöri analysieren damals Fakten zum Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München. Eine Frage lässt sie seither nicht mehr los: wie geraten junge Menschen, so alt wie sie selbst, in eine derartige Spirale aus Hass, Gewalt und Tötungsbereitschaft? Sie verfolgen seit nunmehr vier Jahren viele Spuren, die sie in die Abgründe des Internets fuhren. Ihre Recherche beginnt auf einschlägigen Spiele- und Kommunikationsplattformen. Der Ausgangspunkt ist: David S., der Attentäter vom Münchner Olympiaeinkaufszentrum.

Der 18-Jährige begann zwar nach seinem Anschlag 2016 Selbstmord, er hat jedoch Spuren im Internet hinterlassen. Nächtelang suchen unsere Jungautoren nach diversen alten Accounts von David S.. Im Internet nahm er dutzende verschiedene Identitäten an. Darunter: „Prophet Fuhrer Deutsch“, „Amoklauf“, „Gottgleicher Deutscher“. Schnell stoßen Zug und Spöri auf unzählige Gruppen, in denen er und verschiedene Jugendliche nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten. In einer Gruppe, schicken sie sich Hakenkreuze, SS-Symbole und huldigen öffentlich Hitler. In einer weiteren Gruppe, verherrlichen die Heranwachsenden den Nationalsozialisten Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen ermordete. Und im Forum „Anti-Refugee-Club“ diskutieren sie zur selben Zeit über die „Ausrottung aller Türken“. Und eine mindestens genauso große Szene: Die „Amok-Community“, auf denen einige Jugendliche über ihre Suizidgedanken und, ob man beim Selbstmord andere mit in den Tod zieht, diskutiert. Sind es nur harmlose Jugendliche, die pubertieren und Kommentare schreiben? Oder brodelt dort aus Provokation und Frustabbau bereits eine echte Gefahr für die Öffentlichkeit? Als Spöri und Zug klare Mord- und Anschlagsfantasien entdecken, wird ihnen bewusst, welche riskante Gefahr von diesen Online-Gruppen wirklich ausgeht. Deshalb wollen sie in diesen extremistischen und Amok-Gruppen auf den Spieleplattformen mehr Jugendliche mit Anschlagsplanen aufspüren. Sie wollen verstehen, wie man in ein solches Netzwerk rutscht, wie die Jugendlichen dort denken und wie man dagegen bessere Präventivarbeit leisten kann.

Mit einem Undercover-Account auf der Spieleplattform Steam, schreiben die jungen Filmemacher diese Jugendlichen vorsichtig an. Damit wollen sie in Kontakt mit jungen Menschen treten, die in diesen Online-Netzwerken gut vernetzt sind und vielleicht sogar eigene gefährliche Fantasien hegen. Sie werden als Journalisten Teil des Netzwerks. Spöri und Zug suchen nach Einzelgängern. Nach stillen und einsamen Jugendlichen, die in der Schule ihr Dasein fristen. Oft sind sie Opfer von Ausgrenzung und Mobbing und ziehen sich in der echten Welt immer weiter zurück. Aus der Schule, aus ihren Familien – in die Welt des Internets. Dort sind sie nicht schüchtern, trauen sich mehr. Sie geraten u.a. an Verschwörungstheoretiker, Extremisten und Menschen, die ihren Selbstmord planen. Diese nutzen die Verletzlichkeit der Jugendlichen und den Hass, der in ihnen brodelt. Sie werden zu vermeintlichen Freunden und zum Brandbeschleuniger in ihrem Radikalisierungsprozess. Mit immer weiteren kruden Ideologien: Waffen-Fantasien, Hass gegenüber Juden und Muslimen, Verherrlichung von Attentätern. Auf der Suche nach diesen jungen Menschen, Arte/BR/ARD Deutsche Filmpremiere

stoßen Zug und Spöri nach einem Jahr Recherche auf: Jugendliche aus Berlin, Wien, Kalifornien und Schweden, die gerade noch Anschlagsfantasien hegen. In diesem Netzwerk kommen die Filmemacher selbst ins Visier des FBI, weil die US-Behörden vermuten, dass Zug und Spöri selbst eine Tat planen. Das FBI leitet die Vermutung ans Bundeskriminalamt weiter. Schließlich stand zweimal der Staatsschutz vor den Wohnungen der zwei
Journalisten.

Wir beweisen in diesem Film, dass hinter dem Münchner Anschlag am Olympia- Einkaufszentrum nicht nur ein Einzelgänger steht, sondern ein internationales Netzwerk, das sich über verschiedene Kontinente erstreckt und bis heute aktiv ist. Außerdem blicken wir auf andere Anschläge von Jugendlichen in der ganzen Welt, mit ähnlichen Indizien auf ein Online-Netzwerk, das sich ebenso auf eine Spiele- und Kommunikationsplattform
zurückführen lässt. Mit diesem Film wollen wir ein Bewusstsein für diese neue Art der jugendlichen Radikalisierung schaffen, um möglicherweise Anschläge in der Zukunft zu verhindern.Alexander Spöri​, Junior Producer

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