Herdenschutzhunde gehören nicht nach BayernNeuburg – Kürzlich hat das Tierheim in Neuburg 30 Herdenschutzhunde aus Aichach aufgenommen, die einem Züchter ohne Genehmigung abgenommen worden sind, nachdem seine Hundezucht außer Kontrolle geraten war und man die riesengroßen Hunde mit intensivem Schutztrieb sogar freilaufend in der Stadt beobachtet hat. Für Gerd Schmidt, den langjährigen Leiter des Tierheims und Vorsitzenden des Tierschutzvereins Neuburg-Schrobenhausen, ist die Zucht von Herdenschutzhunden in Deutschland ein absolutes No-Go und mit großen Gefahren verbunden.
Herdenschutzhunde sind Zuchthunde, die speziell dafür gezüchtet werden, auf Weidetierherden aufzupassen. Sie sind normalerweise dort zuhause, wo es weite Landschaften und wenig Menschen gibt – in der Türkei zum Beispiel, oder auch in der Ukraine und in Russland. In Deutschland gibt es im Norden einige Regionen, wo man Herdenschutzhunde halten und einsetzen kann – dorthin hat das Tierheim Neuburg auch schon gut die Hälfte der Aichacher Tiere vermittelt. Aber, so Gerd Schmidt, im dicht besiedelten Bayern haben sie wirklich überhaupt nichts zu suchen.
Herdenschutzhunde können eine lebensbedrohliche Gefahr darstellen
In Bayern gibt es kaum menschenleere Regionen, und zudem sind Menschen Schafherden und andere von Hunden bewachte Herden nicht gewohnt. Die Mentalität, sich jederzeit überall aufhalten zu können, ist weit verbreitet.
Die großen, kräftigen Herdenschutzhunde empfinden aber alles, was sie nicht kennen und was sie nicht als zur Herde zugehörig wahrnehmen, als eine Bedrohung. Außerdem sind sie selbstständige Hunde, die sich selbst um ein erkanntes Problem kümmern – dafür brauchen sie keinen Befehl von einem Menschen.
Es ist naheliegend, welche Gefahr Gerd Schmidt kommen sieht, sollten Herdenschutzhunde in Bayern zum Schutz von Herden eingesetzt werden, wie es in letzter Zeit häufiger gerade im Zusammenhang mit der Wolfsthematik vorgeschlagen wird: „Ich habe da ein Horrorszenario vor Augen“, so der erfahrene Tierexperte. „Ein Hund liegt bei seiner Herde, und eine Familie mit Kindern fährt mit dem Fahrrad vorbei. Das nimmt der Hund als Bedrohung wahr und greift an. Man muss davon ausgehen, dass es zu schweren, vielleicht sogar tödlichen Verletzungen kommt.“
Herdenschutzhunde werden aus Profitgründen gezüchtet
Aber wie kommt nun ein Züchter aus Aichach auf die Idee, Tiere zu züchten, die man in der Region gar nicht besitzen sollte? Das ist die Aussicht auf viel Geld, erklärt Herr Schmidt: „Man kann einen Herdenschutzhund für 5000 bis 6000 Euro verkaufen. Und von der Regierung erhalten Tierzüchter in manchen Fällen Zuschüsse.“
Natürlich haben bei Weitem nicht alle Menschen, die sich einen Herdenschutzhund kaufen, tatsächlich eine Herde, die geschützt werden soll. Herr Schmidt bezeichnet die Hunde auch als „Macho-Hunde“. Menschen wollen sich mit den stattlichen Hunden profilieren, doch sind schnell überfordert. Letztendlich landen die Tiere dann im Tierheim, häufig auf Lebenszeit – weil sie eben extrem schwierig zu handhaben sind und nur für sehr wenige Menschen als Haustiere infrage kommen. Den Schutztrieb wird man niemals aus ihnen herausbekommen, denn er ist genetisch bedingt. Man kann ihn mit viel Training höchstes reduzieren, doch er wird den Hund für immer unberechenbar machen. Niemand weiß, was der Hund als Bedrohung empfindet, sodass sein Schutztrieb ausgelöst wird – das kann eine Bewegung sein, oder vielleicht ein Geräusch oder ein Geruch.
Das Tierheim Neuburg ist zum Glück in der Lage, schwierigen Hunden wie Herdenschutzhunden ein Zuhause zu geben, ebenso wie zum Beispiel alten Pferden aus ganz Bayern, die sonst kaum irgendwo unterkommen können. Das liegt an der guten Personalsituation und auch am Konzept der Gruppenhaltung, welches in der Praxis einfacher umzusetzen ist als das moderne Konzept der vielen Einzelräume.
Doch wie wird das weitergehen, wenn Gerd Schmidt, der bald 70 Jahre alt wird, kürzer tritt oder ganz in seinen sehr verdienten Ruhestand geht? Er weiß es noch nicht, aber eines ist sicher: „Es wird sich demnächst einiges ändern müssen. Der Zahn der Zeit nagt an mir.“
Der Wolf in Deutschland: Keine gute Idee
Gerd Schmidt sieht es nicht nur als höchst problematisch, Herdenschutzhunde zu nutzen, um Herden in Bayern vor dem Wolf zu schützen. Er sieht die Verbreitung des Wolfs in Deutschland ganz generell als großes Problem, das uns Menschen wahrscheinlich über den Kopf wachsen wird – zu unserem eigenen Nachteil, aber auch zum Nachteil der Wölfe.
„Natürlich gehört der Wolf zu Natur, aber die Natur in Deutschland hat kein eigenes, natürliches Gleichgewicht mehr. Der Wolf wird seine Scheu verlieren und in die Städte kommen. Er wird sich stark vermehren, weil er keine natürlichen Feinde hat. Am Ende müssen wir dann harte Maßnahmen ergreifen.“, prognostiziert Schmidt. Und freut sich, obwohl er Wölfe sehr mag, überhaupt nicht über den Wolf in Deutschland. – Elsa, brennessel