Künstler, Chaot, Kunstlehrer a.d. Wirtschaftsschule Neuburg
„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert!“ Wohl kaum ein anderes Sprichwort könnte Rainer Röschke, der geradezu wollüstig seine Rolle als „Enfant Terrible“ zelebriert, besser skizzieren. Nicht nur an seiner Persönlichkeit, sondern auch an seinen Objekten scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein cooler Typ und genialer, zeitgenössischer Künstler, für die anderen ein Bürgerschreck, der mit seinem “Gerümpel“ auf seinem Kunsthof in Wagenhofen zum größten Schandfleck im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen avanciert.
Herr Röschke, Sie sind gebürtiger Österreicher. Wie und wann kamen Sie nach Neuburg?
Alle großen Österreicher, die was werden wollen, gehen nach Deutschland (grinst schelmisch)! Nein, meine Mutter ist sechs Wochen nach meiner Geburt in Österreich gestorben und deshalb hat die Verwandtschaft aus Neuburg mich aufgenommen und seitdem bin ich hier.
Erzählen Sie unseren Lesern etwas aus Ihrem Leben?
Wie alle anderen habe ich mich durch die Schulen gequält und wollte später mal Berufsoffizier werden, denn zerstören hat mir schon immer Spaß gemacht und legal ist das natürlich noch besser. Meine zweite Neigung war zeichnen, basteln, also Kreativität. Deshalb habe ich an der Kunstakademie in München studiert und parallel dazu eine Offizierslaufbahn begonnen, aus der ich später wieder ausgestiegen bin, denn wenn man nicht richtig Krieg führen darf, dann ist das so, als wenn man einen Arzt nur an Leichen herumdoktern lässt.
Sie sind Dipl.-Bildhauer und Dipl.-Maler?
Ja. Außerdem habe ich das Aufbaustudium „Architektur“ absolviert und am Schluss war ich Studienreferendar für Kunsterziehung am Gymnasium. Aber das habe ich nicht mehr ausgehalten. Ich wollte ja nie Lehrer werden. Für mich ist es so: Die, die es können, tun es und die, die es nicht können, lehren es! Bis ich es einem Schüler beigebracht habe, habe ich es fünfmal selber gemacht. Da hab ich einen Nervenzusammenbruch bekommen und gesagt: NIE wieder Schule!
Und trotzdem sind Sie jetzt Kunstlehrer an der Wirtschaftsschule in Neuburg?
Wie das Leben so spielt, hat es sich nach 20 Jahren so ergeben, weil mir die Bank diesen Job vermittelt hat.
Das ist doch schön oder?
Na jaaaaa…… Was heißt schön? Es hat mir zumindest gezeigt, dass meine acht Kinder nicht dümmer sind als andere und als Künstlerkinder auch nicht mehr spinnen als ihre Altersgenossen. Das hat mich doch sehr beruhigt! (grinst übers ganze Gesicht). Wichtig ist, dass man Spaß hat bei dem, was man tut. In der Schule aber hat man nur Verantwortung, ist Erzieher. Ich mag es nicht, wenn man an mir herumerzieht und genauso wenig mag ich an anderen herumerziehen. Das stört doch jede Kreativität!
Sie haben auch einen Dr.-Titel?
Ich habe mich mal damit auseinander gesetzt, ob ich nicht einen mache…… Aber da ich Künstler bin, verleihe ich mir so was selber. Es müsste was mit Internet zu tun haben und der Unsterblichkeit, womit ich mich z.Zt. sehr beschäftige. Was bleibt von einem Menschen übrig? Was ist der Sinn des Lebens? Das Ziel sollte sein: sinnvoll und glücklich zu leben. Was erfüllt dich? Was wird einem durchs Geld verdienen aufgezwungen? Warum ist das Bestreben, weiterzuleben, für uns Menschen so wichtig? Es hat sehr viel damit zu tun, weil sie keine Kinder mehr zeugen! Jede Zelle ist doch genetisch darauf ausgelegt, sich fortzupflanzen, auch der Mensch! Und macht er Kinder? Nein! Deshalb suchen sie andere Wege, damit ein Teil von ihnen weiterlebt: Manche spenden an die Samenbank, lassen sich nach ihrem Tod einfrieren oder ihren Genpool irgendwo deponieren, um sich später mal nachklonen zu lassen…..
Wie äußert sich Ihre Faszination von der Unsterblichkeit in Ihren Projekten?
Man kann gegen einen gewissen Beitrag Mitglied in unserem Verein werden und bei mir Haare hinterlegen, die ich in einem Kunstwerk mit einbaue. Somit ist der Gencode darin gespeichert. In meine großen Plastiken (Holzfiguren) kommt z.B. 1 ccm Blut von mir rein, damit mein Gencode weitergegeben wird. Wenn die Menschheit mal in fremde Galaxien abwandert und ihre Kultur/Kunst mitnimmt, dann steckt in jedem Raumschiff ein Stück Röschke mit drin! (lacht schallend) Und falls sie meinen Gencode suchen, so wie jetzt den von Leonardo da Vinci oder Jesus, dann haben sie ihn und können mich klonen.
„Genie und Wahnsinn liegen eng beisammen“, heißt es. Nehmen die Neuburger Sie ernst?
Das ist schwer zu sagen. Überhaupt: Was heißt ernst nehmen? Das sind doch nur Machtspielchen! Es gibt verschiedene Gruppierungen. Die einen wollen z.B. Holzschnitzereien, die anderen „große Kunst“ aus München und die dritten sagen: „Hauptsache, es ist verrückt!“ So ist das Leben und für jeden fällt ein bisserl was ab.
Beteiligen Sie sich an der Kulturszene in Neuburg?
Ich bin ein Stück Kultur! Ebenso unser Verein mit seinen 120 Mitgliedern. Mit jedem Objekt, das ich in Neuburg mache, beteilige ich mich daran. Auch die Kläranlage ist ein Stück Kultur, denn in dem Moment, wo ich Neuburg’s Sch…haus bunt anmale, wird es zu etwas Besonderem in Bayern!
Ist die Kunst- und Kulturszene in Neuburg mit den richtigen Leuten besetzt?
Schwierige Frage… wo sind überhaupt die richtigen Leute am richtigen Platz? Es gibt da eine Scherzfrage: „Was hat eine Führungskraft mit dem Eifelturm gemeinsam? Die größten Nieten sitzen immer an den wichtigsten Stellen“ – und das ist überall auf der ganzen Welt so. Neuburg kann stolz auf seine Kunst- und Kulturszene sein. Solange sie mich haben, haben sie sowieso das Beste, was es überhaupt gibt! Schauen Sie sich doch mal meine Arbeiten an! Hat man vergleichsweise so etwas schon mal gesehen? Nein! Sogar Industrielle, die in der ganzen Welt herumreisen und alle Museen besuchen, sagten zu mir schon: „Wir haben die Werke von Dali angeschaut, hat uns alles aber nicht mehr beeindruckt, seit wir deine Arbeiten kennen!“ Das zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin!
Angefangen haben Sie mit klassisch-brav-schönen Landschafts- und Portraitbildern. Plötzlich hat sich das geändert. Warum?
Das hing mit meiner Lebensweise zusammen, durch welche die Kunst sehr geprägt wird. Was ich früher durch Suchtmittel kompensiert habe, ließ ich dann durch meine Bilder herausschreien. Als ich z.B. nach 35 Jahren mit dem Rauchen aufhörte, änderte sich meine Kunst erneut, weil man anders sieht, riecht, empfindet. In den letzten Jahren habe ich so viel wie noch nie gemacht, obwohl ich als Lehrer arbeite… aber vielleicht brauche ich das auch als Gegenpol.
Hatten Sie auch Ausstellungen?
Eigentlich wenig, denn es ist für mich eine tote Zeit, eine Ausstellung herzurichten und aufzubauen. Wenn man nur von Ausstellungen leben will, muss man mind. 12 – 13 pro Jahr organisieren und ist ständig unterwegs. Das wollte ich nicht wegen meiner Frau und meinen Kindern. Wenn jemand von mir etwas ansehen will, der kann auf meinen Kunsthof kommen.
Arbeiten Sie nach Auftrag?
Ich bin kein Auftragsarbeiter, mache aber verschiedene Objekte, um Geld zu verdienen. Kunst am Bau hat aber den Nachteil, dass man dem Auftraggeber sehr zuarbeiten muss. Wenn ich für jemanden etwas mache und schlecht drauf bin, kommt das auch rüber. Das will ich nicht. Ich will mein schöpferisches Programm voll entfalten können und das Positive rüber bringen wie z.B. in der Praxis von Dr. Eller. Da kann ich nach 15 Jahren immer noch zu mir sagen: „Toll hast du das gemacht!“.
Was planen Sie für die Zukunft?
Da unsere Welt virtuell-digital geworden ist, steht nun das digitale Bild im Vordergrund. Ich möchte, dass meine Werke überleben, aber möglichst Platz sparend. Deshalb werde ich meine Kunst fotografisch-digital aufzeichnen und archivieren und die Originale vernichten. Mir reicht es, wenn ich meine Objekte auf CD habe.
Ihr Garten ist ja voll mit Objekten. Da wird es schon einige Zeit dauern, bis Sie alles zerstört haben?
Es wird nicht alles vernichtet. Meine Frau und meine 8 Kinder können sich vorher die besten Stücke heraussuchen.
Dann gibt es keine Originale von Röschke mehr?
Nur die, die vorher verkauft worden sind! Ich will es anders machen als Van Gogh, zu dessen Lebzeiten keiner etwas von ihm wollte – und später kauften neurotische Japaner für 70 Mio sein Werk, wovon er selbst jedoch nichts mehr hatte. Es sollen die Leute um mich herum belohnt werden, die meine Kunst zu Lebzeiten gekauft haben und mich jetzt unterstützen und fördern und auch die Idee zu dem Verein hatten, um mir aus meiner finanziellen Misere zu helfen.
Nun zu etwas anderem: Am 30. Mai haben Sie Geburtstag. Wie alt werden Sie?
51 Jahre! Nun fängt das beschauliche Drittel meines Lebens an. Das erste war Schule/Studium, wo ich froh war trotz des ganzen Chaos’ überlebt zu haben, das zweite war Arbeit und das letzte Drittel ist dazu da, mein Werk zu vollenden und hinzuführen zum Überleben/zum Tod bzw. so wie ich es einmal hinterlassen möchte.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Gesundheit – speziell, dass meine Rückenwirbel schnell zusammenwachsen, damit ich meine höllischen, bandscheiben-bedingten Rückenschmerzen los werde!