Do. Mrz 28th, 2024

Frankreichs Staatspräsident Macron hat vor Jahren den Anfang gemacht, jetzt will auch Deutschland ein Zeichen setzen und Kulturgüter zurückgeben, die von Kolonialmächten aus afrikanischen Ländern geraubt wurden. Auch Bayern ist davon betroffen.

Jedes Königshaus der Welt wäre wohl stolz auf so eine Ahnengalerie. Kunstfertig geschnitzt, in einen Elefantenstoßzahn, zeigt sie die Vorfahren des Königs von Benin. Wer der Künstler ist und wie der König heißt, der das Kunstwerk in Auftrag gegeben hat erfährt man nicht. Der königliche Ahnenalter ist einer der Hingucker in der Afrikasammlung des Museum Fünf Kontinente in München. Das könnte sich bald ändern. Museumsdirektorin Uta Werlich ist sich ziemlich sicher, dass das Kunstwerk geraubt worden ist. Im Jahr 1897 haben britische Soldaten während der Eroberung des damaliges Königreichs Benin gewütet und geraubt. Die Beute haben sie anschließend in ganz Europa verscherbelt.

Deutschland will Benin-Bronzen zurückgeben
Besonders viele dieser Kulturgüter, darunter auch etwa 400 der bekannten Benin Bronzen, sind vor rund 120 Jahren in Berlin gelandet und befinden sich heute im Besitz des Ethnologischen Museums. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat nun Ende April angekündigt, dass ein bedeutender Teil dieser Benin Bronzen zurückgegeben werden soll. „Wir stellen uns der historischen und moralischen Verantwortung, Deutschlands koloniale Vergangenheit ans Licht zu holen und aufzuarbeiten. Der Umgang mit den Benin-Bronzen ist dafür ein Prüfstein“, so Monika Grütters.

Über das Wann und das Wie der Rückgabe verhandeln deutsche Experten bereits ganz konkret mit Partnern in Nigeria, auf dessen Staatsgebiet der Großteil des einstigen Königreichs Benin liegt. Auch die größte ethnologische Sammlung in Bayern, das Museum Fünf Kontinente will sich an dieser Rückgabeaktion beteiligt, betont Direktorin Uta Werlich. „Ja, natürlich sind wir dann auch bereit, wenn es Objekte sind, die eindeutig aus einem Gewaltkontext stammen, diese zurückzugeben.“

Viele Fragen offen
Doch vor der Rückgabe wollen die Museen hierzulande viele Fragen klären. Allen voran die genaue Herkunft und die Umstände des Erwerbs von den Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien. Denn nicht alles, was die damaligen Kolonialherrn aus den beherrschten Gebieten in Afrika oder Asien mit zurück in die Heimat gebracht haben, ist auch im engeren Sinn geraubt worden, also dem Eigentümer mit Gewalt entrissen worden. Vieles ist tatsächlich auch gekauft oder getauscht worden. Ob das damals vor dem Hintergrund der Kolonialherrschaft immer auf einer fairen Basis passiert ist, ist natürlich fraglich.

Dass nun schon seit einigen Jahren über die Rückgabe von eindeutig geraubten Kulturgütern diskutiert wird, ist schon ein großer Fortschritt. Lange Zeit haben sich die Europäer vor der Auseinandersetzung mit ihrer kolonialen Vergangenheit gedrückt. Allen voran die Deutschen, die ihre Kolonien in Afrika und Asien bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatten.

Großer Verlust für München
Doch die Erforschung der Erwerbsumstände, also der Provenienz, ist ein mühsamer Prozess. Eindeutig geklärt ist diese Herkunft nur bei fünf Sammlungsstücken aus Benin, so Uta Werlich. 45 weitere Objekte müssen erst noch erforscht werden. Und dabei ist die Provenienz Forscherin des Museums Karin Guggeis schon mit der Untersuchung der Kamerun-Sammlung gut beschäftigt. Doch wenn ein Objekt dann eindeutig als Raubkunst identifiziert werden kann, bleibt die Frage, an wen man das Kulturgut zurückgeben soll. An die Erben des Eigentümers? An ein Museum? An den Staat?

Sicher ist nur, dass eine Rückgabe große Lücken in den hiesigen Sammlungen hinterlassen würde. Allein der auf den Stoßzahn geschnitzte Ahnenaltar aus Benin wäre ein riesiger Verlust für das Museum Fünf Kontinente, gesteht Direktorin Uta Werlich. „Mit diesem Verlust müssten wir dann leben und uns überlegen, wie wir die Geschichte dieses Objektes vielleicht auf eine andere Art in der Ausstellung erzählen können?“

Erste Schritte aus dem Schatten der kolonialen Vergangenheit
Könnte dieser Rückgabeprozess das Museum Fünf Kontinente als solche gefährden, wenn denn erstmal alle Teilsammlungen auf Raubkunst durchleuchtet worden sind? Nein, meint die Direktorin. Sie sieht den Prozess vielmehr als Chance, die Inszenierung in der Ausstellung neu zu gestalten. Der Bedarf ist vorhanden. Der Kolonialismus und all die Verwerfungen, die europäische Gewaltherrschaft in den eroberten Gebieten ausgelöst hat, wird bislang in der Ausstellung nicht erzählt.

Das Museum Fünf Kontinente hat sich viel vorgenommen. „Der De-Kolonialisierungsprozess hier im Museum hat in den letzten beiden Jahren viel Fahrt aufgenommen“, sagt Uta Werlich. Ziel sei es, dass sich Menschen aller Länder respektvoll und auf Augenhöhe begegnen. Angefangen haben sie im Museum dabei mit internen Workshops, um die eigenen Einstellungen zu Rassismus kritisch zu hinterfragen. Die ersten Schritte aus dem Schatten der kolonialen Vergangenheit sind getan. – BR

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