Fr. Apr 19th, 2024

München – Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) will Experten nach Tschernobyl entsenden. Russische Truppen wurden offenbar aus dem ehemaligen Atomkraftwerk abgezogen. Einige Soldaten sollen sich bei ihrem Einsatz Strahlenschäden zugezogen haben.

Nach dem Abzug russischer Truppen aus Tschernobyl will die Internationale Atomenergiebehörde in den kommenden Tagen Experten in das ehemalige ukrainische Atomkraftwerk entsenden. IAEA-Chef Rafael Grossi kündigte in Wien an, dass er die Hilfsmission selbst anführen werde. Die IAEA werde auch anderen Atomanlagen in der Ukraine sicherheitsrelevante Ausrüstung und Expertise bereitstellen, sagte er.

IAEA verlangt sichere Routen
Zuvor war Grossi aus der Ukraine und aus Russland zurückgekehrt, wo er in den vergangenen Tagen über solche Unterstützungsmaßnahmen Gespräche geführt hatte. Die geplanten IAEA-Missionen seien jeweils mit Russland und der Ukraine vereinbart, hieß es. Über konkrete russische Sicherheitsgarantien für ukrainische AKWs oder für IAEA-Mitarbeiter sprach er jedoch nicht. „Wir benötigen sichere Routen, Schutz und befriedete Zonen, in denen wir uns bewegen können“, sagte Grossi.

Grossi räumte ein, dass er von seinem Plan abgerückt sei, ein Übereinkommen zwischen Russland und der Ukraine zum Schutz von Nuklearanlagen während des Krieges auszuhandeln. „Ich habe entschieden dass es wichtig ist, an der Sicherheit der Kraftwerke zu arbeiten“, sagte er. Konkrete Hilfe sei wichtiger als langwierige Verhandlungen.

Ukraine will mit Atomenergiebehörde zusammenarbeiten
Auch die ukrainische Regierung kündigte nach dem russischen Abzug an, die Lage in Tschernobyl zu Zusammen mit der IAEA zu prüfen und mögliche Gefahren eindämmen. Russische Soldaten hätten sich im Laufe der mehr als vier Wochen langen Besetzung des Geländes unverantwortlich verhalten, erklärte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in Warschau. So hätten sie die angestammte Belegschaft davon abgehalten, all ihren Pflichten im Atomkomplex nachzukommen. Auch Gräben hätten die russischen Truppen in radioaktiv kontaminierten Gebieten ausgehoben.

Wurden russische Soldaten verstrahlt?
Der staatliche Energieversorger Energoatom berichtete gestern, dass russische Soldaten dabei „erhebliche Strahlendosen“ abbekommen hätten. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es aber nicht. Kuleba erklärte, die russische Regierung habe ihre Soldaten Strahlung ausgesetzt und damit deren Gesundheit gefährdet.

Energoatom-Chef Petro Kotin gab an, dass die Soldaten keine Physiker und völlig ahnungslos in die radioaktiv verstrahlte Region geschickt worden seien.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Iryna Wereschtschuk, schrieb auf ihrer Facebook-Seite, dass sie eine so hohe Strahlendosis abbekommen hätten, dass „deren Folgen ihnen Ärzte in Schutzanzügen erklären werden müssen“. Der Kreml äußerte sich zunächst nicht.

IAEA-Direktor Grossi sagte zur Lage am Atomkomplex, die allgemeine Strahlensituation rund um die Anlage sei ziemlich normal. Es habe ein relativ höheres Niveau lokaler Strahlung durch Bewegungen schwerer Fahrzeuge während der Besetzung der Anlage gegeben. Dies sei offenbar beim Abzug wieder der Fall gewesen, sagte Grossi. Die IAEA habe aber keine Bestätigung einer möglichen Verseuchung von Soldaten.

Techniker arbeiteten fast vier Wochen am Stück
Russische Soldaten hatten am 24. Februar, am Tag des Einmarschs in die Ukraine, die Kontrolle über die stillgelegte Atomanlage im Norden des Landes übernommen. Rund hundert ukrainische Techniker waren seitdem auf dem Gelände eingeschlossen und arbeiteten fast vier Wochen am Stück. Erst am 21. März sollen sie abgelöst worden sein. – BR

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