So. Sep 15th, 2024

Neuburg – Einmal mehr haben wir uns Zeit genommen, um mit dem Leiter des Neuburger Tierheims und dem Vorsitzenden des Neuburger Tierschutzvereins, Gerd Schmidt, ein Gespräch über aktuelle Tierschutzthemen aus unserer Region zu führen – wobei natürlich unsere Region nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Probleme, die Herr Schmidt anspricht, existieren auch in anderen Regionen, teilweise noch intensiver als bei uns.

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Es gibt zu viele Hobby-Hundezüchter
Die Hobby-Zucht von Hunden wird kaum reguliert oder kontrolliert. Menschen, die ohne offizielle Gewinnabsicht Hunde züchten, müssen per Gesetz nicht kontrolliert werden, und so entstehen jede Menge Welpen problematischer, hoch anspruchsvoller Rassen, die gedankenlos jedem Interessenten verkauft werden, der den passenden Betrag mitbringt. Da es sehr schwer ist, diesen Hunden gerecht zu werden und auch, wegen mangelnden Wissens über die Wesensmerkmale der jeweiligen Rasse, gefährliche Situationen entstehen, landen viele dieser Hunde früher oder später im Tierheim, und zwar meist auf Lebenszeit. Das belastet die Tierheime erstens finanziell, und zweitens nehmen diese Hunde dann dauerhaft einen Platz im Tierheim weg, den über die Zeit hinweg mehrere unkomplizierte, leicht vermittelbare Hunde einnehmen könnten. Dieses Problem besteht insbesondere bei der Zucht von Herdenschutzhunden.

„Züchter, die anspruchsvolle Rassehunde an ungeeignete Menschen abgeben, sollten bestraft werden. Sie sollten dazu verpflichtet werden, den Hund zurückzunehmen und sich lebenslang um ihn zu kümmern“, sagt dazu Gerd Schmidt, in dessen Tierheim sehr viele Herdenschutzhunde langjährig unterkommen. Viele von ihnen verlassen das Tierheim nie wieder, da Herr Schmidt einen Herdenschutzhund auf keinen Fall an eine beliebige Familie abgibt, die sich einen Familienhund wünscht.

„Eigentlich haben Herdenschutzhunde in Bayern überhaupt nichts verloren, hier ist es viel zu dicht besiedelt. Sie gehören dorthin, wo es auch wirklich Herden zu bewacht gilt.“

Denn Herdenschutzhunde unterscheiden immer nur zwischen „dazugehörig“ und „nicht dazugehörig“, und könnten so, für das Gegenüber völlig unerwartet, aus ihrem Schutztrieb heraus andere Hunde oder auch Menschen angreifen.

Eigentlich, so Gerd Schmidt, gäbe es für die Hundezucht nur zwei Gründe: Rassefanatismus, und – und das insbesondere – das schnelle Geld. Mit ein paar Rassewelpen lassen sich schnell mehrere Tausende von Euro verdienen, was für viele Menschen verlockend ist. Die Konsequenzen sind aber für viele der Hunde und für die Tierheime letztendlich fatal.

Es gibt zu viele freilebende Katzen
Ein zweites sehr schwieriges Thema für den Tierschutz sind die vielen freilebenden Katzen, die hier in der Region leben. Viele Hauskatzen vermehren sich zu stark, weil sie nicht kastriert werden. Die Katzenpopulation steigt dadurch viel zu sehr an, und viele Katzen haben auch kein Zuhause mehr.

Das ist nicht einfach nur störend, etwa weil die herrenlosen Katzen in Gärten herum streunern, sondern auch problematisch, weil die Katzen Krankheiten verbreiten und die Singvogelpopulationen bedrohen.

Da das Problem auf freiwilliger Basis nicht in den Griff zu bekommen sei, ist Gerd Schmidt der Meinung, hierfür bräuchte es eine Kastrationspflicht.

Gibt es zu viele Hunde und Katzen, könnte es bald gesetzlich erlaubt sein, sie zu töten
Lässt sich das Hunde- und Katzenproblem nicht in den Griff bekommen, so gäbe es, so der Tierschutzvereinsvorsitzender, schlimme Aussichten:

„Eigentlich besagt das Tierschutzgesetz, dass es verboten ist, ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund zu töten. Gibt es aber zu viele Tiere, so dass etwa auch die Tierheime einen Aufnahmestopp verhängen und die Hunde und Katzen nirgendwo mehr hinkönnen, könnte es sein, dass die freilebenden Katzen und die Hunde, die aus der Hobbyzucht kommen und wieder abgegeben werden, einfach eingeschläfert werden“, sagt Gerd Schmidt. Diese Gedanke gefällt dem Tierschützer natürlich überhaupt nicht – aber diese Populationskontrolle könnte dann der im Gesetz genannte „vernünftige Grund“ sein, um die Tiere zu töten.

Das Thema Tierschutz hat in der Politik leider keine Priorität
Gesunde, junge Hunde und Katzen, die einfach die Todesspritze bekommen – das klingt dramatisch und wird bei vielen Tierfreunden blankes Entsetzen wecken. Doch politisch spielen Tierschutzthemen, die genau diese Szenarien zu verhindern versuchen, leider kaum eine Rolle, sie haben keine Priorität.

„Die Politik müsste unter Druck gesetzt werden, dann könnte schnell was passieren. Aber es müssten mehr Menschen Druck ausüben – Bürgermeister, Landräte, Tierärzte. Stattdessen sind es nur wir Tierschützer, die die Probleme ansprechen, und das reicht leider nicht. Ich selbst habe erst kürzlich mit zwei Landräten in München über die aktuellen Tierschutzprobleme gesprochen und hoffe, dass sie politisch eine Rolle zu spielen beginnen. Aber ich glaube, das werden sie nicht“, gibt Gerd Schmidt etwas resigniert zu.

Als Tierschützer kann man wohl nur akzeptieren, dass man aktuelle Probleme und zukünftige Schreckensszenarien sieht, für die der Großteil der anderen Menschen blind ist. Und dass man wenig mehr machen kann als Schadensbegrenzung.

Am letzten Septemberwochenende (28./29.09.) und am ersten Oktoberwochenende (05./06.10.) findet im Neuburger Tierheim der Tag der offenen Tür statt, wo jeder willkommen ist – auch jeder, der der Tierschutzarbeit kritisch gegenübersteht. Hier können Sie natürlich auch mit Gerd Schmidt und seinen Kollegen über die angesprochenen Probleme diskutieren. – brennessel Magazin

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