Der russische Oligarch Abramowitsch ist womöglich vergiftet worden. Er sowie zwei weitere Teilnehmer der russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen wiesen einem Bericht zufolge entsprechende Symptome auf. Die US-Regierung äußert Zweifel.
Bei Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ist der russische Unternehmer und Multi-Milliardär Roman Abramowitsch offenbar Opfer eines Giftanschlags geworden. Betroffen sind einem Bericht des „Wall Street Journals“ auch zwei ukrainische Unterhändler. Wie die Zeitung unter Berufung auf Insider meldete, klagten Abramowitsch und zwei hochrangige Vertreter der ukrainischen Delegation über gerötete Augen, die anhaltend und schmerzhaft tränten, sowie über sich abschälende Haut im Gesicht und an den Händen. Sie seien nicht in Lebensgefahr, inzwischen gehe es ihnen besser, hieß es.
Das Recherchenetzwerk Bellingcat bestätigte, dass drei Verhandlungsmitglieder nach dem Treffen in Kiew in diesem Monat an Vergiftungssymptomen litten. Diese würden auf chemische Kampfstoffe hindeuten, so die Erkenntnisse von Bellingcat.
Stecken russische Hardliner hinter Gift-Anschlag?
Der Guardian-Journalist Shaun Walker twitterte, nach seinen Quellen habe Abramowitsch infolge der mutmaßlichen Vergiftung für mehrere Stunden das Sehvermögen verloren. Demnach wurde Abramowitsch in der Türkei behandelt.
Die Quellen des „Wall Street Journal“ verdächtigen der Zeitung zufolge Hardliner in Moskau, hinter dem Vorfall zu stehen. Diese wollten demnach die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine für ein Ende des Ukraine-Kriegs sabotieren. Ein Vertrauter Abramowitschs sagte dem „Wall Street Journal“ aber, es sei unklar, wer hinter dem Vorfall stehen könnte. Außerdem hätten westliche Experten keine Erklärung für die Symptome liefern können.
Zweifel in den USA und der Ukraine
In der Ukraine haben Teilnehmer an den Verhandlungen die Berichte unterdessen zurückgewiesen. Alle Mitglieder der Verhandlungsgruppen würden normal arbeiten, sagte der ukrainische Unterhändler Mychajlo Podoljak örtlichen Medien zufolge. „Im Informationsbereich gibt es gerade viele Spekulationen, unterschiedliche Verschwörungsversionen und Elemente des einen oder anderen Informationsspiels.“ Bereits am Morgen hatte der im Wall-Street-Journal-Bericht als Opfer erwähnte Rustem Umjerow bei Facebook geschrieben, dass mit ihm alles in Ordnung sei.
Ein Vertreter der US-Regierung äußerte ebenfalls Zweifel: Geheimdienstinformationen deuteten mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass es sich um Umwelteinflüsse gehandelt habe, also nicht um Vergiftung, sagt ein US-Vertreter.
Abramowitsch auf Vermittlungsmission
Der mit Sanktionen belegte Oligarch Abramowitsch hatte auf Bitten der Ukraine eine Vermittlerrolle übernommen. Der Milliardär mit guten Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin war nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von der EU und Großbritannien mit Sanktionen belegt worden – nicht aber von den USA.
Das „Wall Street Journal“ berichtete in der vergangenen Woche, der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj habe US-Präsident Joe Biden gebeten, den als Besitzer des englischen Fußballclubs Chelsea bekannten Oligarchen von den Sanktionen auszunehmen, weil er eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen könnte.
Russland und die Ukraine verhandeln am Dienstag
Vertreter Russlands und der Ukraine wollen am Dienstag in Istanbul erstmals seit fast drei Wochen wieder direkt über einen Waffenstillstand in der Ukraine verhandeln. Die Gespräche sollen bis Mittwoch dauern. Zu den zentralen Themen gehören nach Angaben Selenskyjs „Sicherheitsgarantien und die Neutralität“ sowie der Status der Ukraine als „atomwaffenfreier Staat“. Eine Neutralität der Ukraine ist eine der russischen Hauptforderungen. Selenskyj sagte am Sonntag, seine Regierung werde die Frage „gründlich“ prüfen. – BR