Neuburg – Die 77. Neuburger Barockkonzerte überraschen in diesem Jahr mit einer ungewöhnlichen musikalischen Formel: Barockmusik zwischen Tango, Flamenco und Folk. Ein Klang, der Verwandtschaften betont und Kontraste zelebriert.
Den Auftakt übernimmt am 12. Oktober 2024 im Rittersaal das Glorvigen Trio in der puristischen Tango-Besetzung für Bandoneon, Violine und Kontrabass. Gemeinsam mit der jungen norwegischen Sopranistin Susanna Wolff verbinden sie in ihrem Programm Intrigen und Verzweiflung aus Händels „Il Pastor fido“ mit der Leidenschaft des argentinischen Tangos. In beiden Musiken geht es um Leidenschaften, Sehnsucht – und meist um die unglückliche Liebe.
Zwischen Barockmusik und Tango Nuevo gibt es mehr Berührungspunkte als zu vermuten sind. Das Bandoneon – ursprünglich als Ersatz für die Kirchenorgel gebaut – gibt der Adaption von drei- und vierstimmigen Kontrapunkten eine fundierte klangliche Basis. Das Atmen, zu dem das Bandoneon – bedingt durch seine Art der Tonerzeugung und der äußerst unlogischen Verteilung der Noten in rechter und linker Hand – gezwungen ist, ermöglicht wiederum eine Phrasierung, die der eines Streichinstruments ebenbürtig ist. So bietet die Besetzung des Trios mit Violine und Kontrabass außergewöhnliche Klangfarben, die es manchmal wie ein Ensemble von Gamben und manchmal wie eine Orgel klingen lassen. Und: Der Tango bedient sich eines harmonischen Vokabulars, das genauso bei Bach und seinen Zeitgenossen anzutreffen ist.
Den Jazzabend am 11. Oktober um 20:30 Uhr übernimmt die Pianistin Johanna Summer. Sie zählt zu den großen Nachwuchstalenten des europäischen Jazz und ist eine der im Augenblick besonders vielbeachteten Jazzmusikerinnen in Deutschland. Johanna Summer hat mit Improvisationen über klassische Klaviermusik einen ganz eigenen Sound gefunden und sie schafft spielerisch neue Klangräume für die Klassik. Beispiellos lässt die deutsche Jazzpianistin große Werke mit impulsiver Improvisationskunst kollidieren.
Johanna Summer beeindruckt mit ihrer lebhaften Spielweise und ihrer spontanen Ausdruckskraft, die immer Grundlage für ihre improvisierten Musikerlebnisse sind.
Johanna Summer wurde 1995 in Plauen geboren und begann mit klassischem Klavierunterricht. Sie studierte an der Hochschule für Musik in Dresden und kam durch einen Kurs bei dem Free-Jazz-Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer zur freien Improvisation. 2017 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „Juvenile“. 2020 erschien ihr Soloalbum „Schumann Kaleidoskop“. 2023 beendete sie ihr Masterstudium an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Im selben Jahr erschien ihr zweites Soloalbum „Resonanzen“.
Im Konzertprogramm „Diálogos – von alten und neuen Klängen“ trifft der Flamenco, meisterhaft interpretiert von der Sängerin Alba Carmona, einem neuen, jungen Star der Szene, auf die spanische Barockmusik und den gefeierten Gambisten Fahmi Alqhai. Beide Musikstile, der Flamenco genauso wie die barocken Chaconas und Marionas, Siguriyas und Tangos, haben die große weite Welt gesehen, sind über die Meere von Andalusien nach Südamerika und wieder zurück nach Andalusien gereist, um dort ihren ureigenen Stil zu finden.
Einen Abend lang begeben sich Alba Carmona und Fahmi Alqhai gemeinsam auf die Suche nach den Berührungspunkten von überlieferter Tradition und heutigem Klang. Sie lassen Flamenco und Barock in einen reizvollen Dialog miteinander treten und erschaffen eine einmalige, mutige und meisterhafte Fusion. Zusammen mit der Accademia del Piacere verspricht dieses Programm am 12. Oktober 2024 ein spannendes, von Improvisationslust getriebenes Konzertprojekt. Für ihr Projekt »Diálogos« erhielt das Ensemble 2016 den Giraldillo Preis für Innovation.
Der Gambist Fahmi Alqhai und sein Ensemble Accademia del Piacere zählen zu den führenden Klangkörpern auf dem Gebiet der Musik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. »Akademie des Vergnügens« nennt sich das famose Ensemble aus Sevilla und der Name ist Programm. Mit Mut zum Risiko stürzt es sich und das Publikum ins Vergnügen mit einer Musikwelt, die aus dem Geist der Improvisation lebt: Immer neue »Coverversionen« gewannen die Komponisten des spanischen »Goldenen Zeitalters« den Hits des Tages ab – und die Musiker:innen um den brillanten Gambisten Fahmi Alqhai halten mit eigenen Variationen kühn dagegen.
Beim Abschlusskonzert am 13. Oktober 2024 um 11:00 Uhr ist die Harfenistin Silke Aichhorn zu Gast. Die als Solistin wie Kammermusikerin konzertierende Musikerin gehört zu den gefragtesten und vielseitigsten Harfenistinnen in Europa. Ihre Ausbildung hat sie in Lausanne und Köln absolviert. Sie ist mehrfache Preisträgerin internationaler Wettbewerbe sowie mehrerer Kulturpreise.
Die Mischung aus Musikalität, ungemein farbigem Ton, virtuosem Handwerk kombiniert mit unnachahmlicher Natürlichkeit und Authentizität ist es, was an ihr begeistert. Das Ziel der kreativen und energiegeladenen Musikerin ist es, das Image der Harfe zu entstauben – was mittlerweile fast dreißig CDs mit zahlreichen Ersteinspielungen belegen. Zusammen mit ihrer Harfe wird sie das Publikum im Rittersaal auf eine musikalische Reise mitnehmen – von Bach bis zur deutschen und englischen Volksmusik. – Jutta Dieing