Do. Apr 25th, 2024

Warschau – 1.320 Milliarden Euro – diese Summe fordert Polen von Deutschland für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden. Warschau will in einer diplomatischen Note Außenministerin Baerbock informieren. Das Thema dürfte deren Besuch in Polen mitbestimmen.

Polen will von Deutschland Geld sehen für die Verbrechen des Nazi-Regimes – und nun bald in die Verhandlungen eintreten. Die nationalkonservative Regierung in Warschau hat dazu einen weiteren Schritt unternommen: Kurz vor einem Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Warschau unterzeichnete Außenminister Zbigniew Rau eine diplomatische Note, die dem Auswärtigen Amt in Berlin übergeben werden soll. Das Timing dürfte kein Zufall sein. Am Abend wird Baerbock in Polen erwartet.

Polen will verhandeln – noch keine Reaktion aus Berlin
Die Note bringe „die Überzeugung des polnischen Außenministers zum Ausdruck, dass die Parteien unverzüglich Schritte zu einer dauerhaften, umfassenden und endgültigen rechtlichen und materiellen Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten“, erklärte Rau. Beide Staaten sollten nun umgehend Schritte einleiten, um die Frage der Konsequenzen aus der deutschen Aggression und Besetzung im Zweiten Weltkrieg dauerhaft und effektiv beizulegen. Das Auswärtige Amt in Berlin wollte sich zunächst nicht zu den polnischen Ankündigungen äußern.

Der Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen am 1. September 1939 markierte den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Vier bis sechs Millionen Polen kamen im Krieg ums Leben, bis zu ein Fünftel der Bevölkerung. Ein großer Teil der Opfer waren polnische Juden und Jüdinnen. Die Hauptstadt Warschau wurde fast völlig zerstört. 1953 verzichtete die damalige kommunistische Regierung Polens auf Druck der Sowjetunion aber auf alle Reparationsforderungen. Die Regierung in Moskau wollte damit ähnliche Forderungen an die damalige DDR verhindern.

Die Forderung: 1.320 Milliarden Euro
Die nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau hält letztere Vereinbarung für ungültig und hat die Reparationsforderungen in den vergangenen Jahren immer wieder thematisiert. Vor gut einem Monat hatte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Weltkriegs-Schäden in Polen auf 1,32 Billionen Euro beziffert werden – also 1.320 Milliarden Euro. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hatte gleichzeitig die Forderung nach Entschädigungszahlungen erneuert.

Das Auswärtige Amt wies die Forderung umgehend zurück und erklärte: „Die Position der Bundesregierung ist unverändert, die Reparationsfrage ist abgeschlossen.“ Polen habe schon vor langer Zeit auf weitere Reparationen verzichtet und dies mehrfach bestätigt. Dies sei „eine wesentliche Grundlage für die heutige Ordnung Europas“. Deutschland beruft sich auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit.

Polen erhöht den Druck
Rau nannte nun keine konkrete Summe. Er machte aber deutlich, dass nach Vorstellung Warschaus eine Regelung unter anderem „die Zahlung von Entschädigungen durch Deutschland für die materiellen und immateriellen Schäden“ umfassen muss. Auch Opfer der deutschen Besatzer und ihre Familienangehörigen müssten entschädigt werden. Ebenso müsse eine Regelung für die geraubten Kulturgüter und Archive gefunden werden.

Baerbock nimmt heute in Warschau an den Feierlichkeiten der Deutschen Botschaft zum Tag der deutschen Einheit teil und hält dort eine Rede. Am Dienstagmorgen trifft sie ihren Amtskollegen Rau. Ein Sprecher des polnischen Außenministeriums sagte, Rau werde mit Baerbock alle wichtigen Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen besprechen. „Und die diplomatische Note ist wahrscheinlich eine der wichtigsten.“ – BR

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