Ingolstadt (upd) – Künstliche Intelligenz (KI) verändert viele Bereiche der Gesellschaft – auch das Verfassen von Texten. Die Autorin, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Jenifer Becker erklärt in einem Gastvortrag, inwiefern Künstliche Intelligenz (KI) bereits heute Bücher schreiben kann. Am 16. April besucht sie die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) als Gast der Reihe „wissen.schafft.wir. DIALOG“.
Wie lässt sich mit ChatGPT eine Kurzgeschichte verfassen? Wie kann ich beim Schreiben mit KI zusammenarbeiten? „Alle reden darüber und ich glaube das Bedürfnis ist aktuell sehr groß, das einfach mal auszuprobieren“, sagt Jenifer Becker, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin an der Universität Hildesheim. Seit 2021 beschäftigt sie das Thema „Schreiben mit KI“ – insbesondere in Bezug auf literarische Texte wie Kurzgeschichten oder Romane. Sie untersucht, wo KI beim Schreiben Schwächen zeigt und was sie gut kann. Die Wissenschaftlerin, die selbst auch als Autorin tätig ist, kennt die Herausforderungen, die sogenannte generative Sprachmodelle wie ChatGPT mit sich bringen, aber auch die Chancen, die sie für die literarische Arbeit bietet. Sie betreibt künstlerische Forschung, in der sie selbst mit KI arbeitet, stellt das Thema in den Fokus von Lehrveranstaltungen und gibt ihre Erkenntnisse in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung weiter.
„Gerade Pädagoginnen und Pädagogen stehen vor der riesigen Aufgabe, dass sich Schreiben gerade fundamental verändert“, schildert Jenifer Becker. „Als Schülerin kann ich einfach einen Aufsatz generieren lassen, wenn ich eigentlich keine Lust habe zu schreiben. Und jetzt stehen Lehrkräfte vor der Herausforderung, dass sie damit umgehen müssen. Dazu müssen sie sich aber erst selbst darüber informieren.“ Aus der Arbeit mit Lehrerinnen und Lehrer hat die Wissenschaftlerin die Erkenntnis mitgenommen, dass die Qualität einer mit KI erstellten Kurzgeschichte aktuell in etwa dem Niveau einer Schülerin oder eines Schülers in der neunten Klasse entspricht. Es sei alles enthalten, was eine Kurzgeschichte ausmache, die Texte wirkten allerdings oftmals wenig originell oder sehr schematisch.
Viele Wege führen zum Schreiben mit KI
Trotz dieser Schwächen wird KI von Autorinnen und Autoren aktuell schon in unterschiedlichster Weise verwendet. Auch mit diesem Thema setzt Jenifer Becker sich auseinander. Wer schreibt schon mit KI und wie gehen die Autorinnen und Autoren damit um? Grob lassen sich zwei Richtungen erkennen. Auf der einen Seite gebe es Literaturschaffende, die mit ihren KI-Arbeiten darauf abzielten, die Prozesse der Arbeit mit generativen Sprachmodellen aufzuzeigen: „Wenn zum Beispiel Hannes Bajohr oder Gregor Weichbrodt verschiedene Bände KI-generierter Literatur herausgeben, die wiederum Texte von Monika Rinck remixt, müssen die vielleicht gar nicht von vorne bis hinten gelesen werden. Es geht eher darum zu zeigen, welches Konzept dahintersteckt“, erklärt die Wissenschaftlerin. Auf der anderen Seite steht Literatur wie Kinderbücher oder Ratgeber, bei denen der Einsatz von KI ein Mittel zum Zweck ist. Jenifer Becker spricht von „ergebnisorientierten Verfahren, die eigentlich gar nicht offenlegen wollen, dass mit KI gearbeitet wurde“. Ziel sei dabei einfach, einen Text zu schreiben, zum Beispiel eine Kurzgeschichte. „Wie ich jetzt an diese Kurzgeschichte komme, ist egal. Ich setze dafür KI ein.“
Die Anwendung von KI kann dabei sehr unterschiedlich aussehen – je nachdem, wie viele Gedanken sich eine Autorin oder ein Autor schon gemacht hat. Da ChatGPT und Co nicht einfach von selbst anfangen, einen literarischen Text zu produzieren, brauchen sie zunächst einen Input. „Ich kann damit anfangen, ChatGPT Ideen für eine Kurzgeschichte generieren zu lassen. Oder ich habe schon längst ein Konzept formuliert und frage spezifischer“, erklärt Jenifer Becker. Alternativ ist es auch möglich, einen selbst geschriebenen Text von KI weiterschreiben zu lassen oder sie als Feedbackpartnerin zu nutzen, wenn man beispielsweise eine Idee hat, sie aber noch niemand anderem zeigen möchte. Auch bei Entscheidungen, wenn jemand zum Beispiel mehrere Ideen für den Fortgang der Handlung hat, aber nur eine umsetzen möchte, kann KI helfen. Vor allem diese Möglichkeiten sind es, die Studierende in ihren Kursen als bereichernd ansähen, sagt Jenifer Becker: „Textgenese ist gar nicht so das Ding sondern eher der Einsatz von KI in der Strukturierung, der Organisation und der Konzeption.“
Was KI schon besser kann als der Mensch – und was nicht
Die Einstellung der Studierenden gegenüber KI ändere sich häufig mit der Erfahrung, die sie gewinnen. Am Anfang stehe oft eine Wow-Moment, die Studierenden seien erstmal beindruckt von den KI-Systemen. „Aber, dann sieht man, dass das oft ein bisschen abflaut. Je mehr ich damit arbeite, desto deutlicher wird mir auch, welche Ergebnisse erzielt werden, dass die Texte aktuell generisch sind, sehr viele Stereotype beinhalten und ich vielleicht sogar mehr Arbeit reinstecken muss als ich es tun müsste, wenn ich es selbst schreibe.“ Die meisten ihrer Kursteilnehmenden, so schätzt Jenifer Becker, „gehen am Ende des Semesters eher raus und sagen ,Ok, ich bin erleichtert. Ich werde noch nicht ersetzt.‘“ Das kann sich natürlich in Zukunft ändern, KI-Modelle verbessern sich stetig.
Insbesondere Dialoge könnten Menschen aktuell noch viel besser entwickeln als KI. „Die sind gerade noch super schlecht, sehr künstlich, total statisch“, beschreibt Jenifer Becker. Doch es gibt auch einen Bereich, in dem die Systeme aus ihrer Sicht schon besser sind als Menschen: „Wo KI wirklich schon sehr gut drin ist, ist Handlungsstrukturen neu zu denken. Einen neuen Marvel-Plot mit verschiedenen neuen Superhelden kann Chat GPT definitiv in kürzester Zeit entwickeln. Da ist das System viel besser als wir das jemals sein konnten, weil es innerhalb kürzester Zeit sehr viele Ideen entwickeln kann.“
Insgesamt ist Jenifer Becker aktuell hoffnungsvoll, als Autorin nicht von KI ersetzt zu werden. Anderen Schreibenden, aber auch allgemein empfiehlt sie, sich mit KI zu beschäftigen, um reflektiert mit dem Thema umgehen zu können.
Jenifer Becker zu Gast an der KU
Weitere Einblicke in ihre Forschung gibt die Wissenschaftlerin am 16. April an der KU. Der Vortrag im Collegium Georgianum in Ingolstadt beginnt um 18 Uhr. Mit anderen Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und dem Journalismus diskutiert sie im Rahmen der Veranstaltungsreihe „wissen.schafft.wir. DIALOG“ zum Thema „KI als neue (Co-)Autorin“. – Katja Ossiander, KU Eichstätt-Ingolstadt
Jenifer Becker, Fotoverweis, Franziska Gilli