Do. Apr 25th, 2024

Die WHO hat die neue Virus-Variante aus Südafrika als „besorgniserregend“ eingestuft. Die Corona-Variante wurde derweil auch in Belgien nachgewiesen – zum ersten Mal in Europa. Deutschland stufte nun acht Länder als Virusvariantengebiete ein.

Die WHO stuft die neue Virus-Variante aus Südafrika als „besorgniserregend“ ein. Das gab die Weltgesundheitsorganisation nach Beratungen mit Experten bekannt. Die Variante erhalte den griechischen Namen Omikron. Nach ersten Erkenntnissen könnte sie wegen zahlreicher Mutationen besonders leicht übertragbar sein, womöglich wirken auch die Impfungen nicht mehr ausreichend. Zudem gilt die Variante als schnell mutierend. Fast 100 Sequenzen der Variante sind Berichten zufolge bisher bekannt.

Corona-Variante auch in Israel und Belgien nachgewiesen
Belgien meldete unterdessen als erstes Land in Europa eine Infektion mit der neuen Coronavirus-Variante. Der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke sagte, ein aus dem Ausland kommender ungeimpfter Mensch sei positiv getestet worden. Der belgische Virologe Marc Van Ranst schrieb in einem Tweet, die Variante B.1.1.529 sei bei einem aus Ägypten zurückkehrenden Reisenden festgestellt worden.

Auch Israel entdeckte die neue Variante in seinem Land, sie wurde bei einem heimkehrenden Reisenden aus Malawi entdeckt. Die Person und zwei Verdachtsfälle seien isoliert worden, teilte das Gesundheitsministerium mit. Alle drei seien geimpft, ihr genauer Impfstatus werde geprüft. Wissenschaftler hatten die B.1.1.529-Variante zuvor nur in relativ geringer Zahl in Südafrika, Botswana und Hongkong entdeckt.

Bundesregierung stuft acht Länder als Virusvariantengebiete ein
Als Reaktion beschränkte die Bundesregierung die Einreise aus insgesamt acht Ländern der Region drastisch. Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho werden ab Sonntag um 0.00 Uhr als Virusvariantengebiete eingestuft, wie das Robert Koch-Institut am Freitag mitteilte. Fluggesellschaften dürfen nun nur noch deutsche Staatsbürger aus den betroffenen Ländern nach Deutschland befördern. Es gelte nach Ankunft 14 Tage Quarantäne für alle, auch für Geimpfte.

Gesundheitsminister Jens Spahn (SPD) erklärte: „Wir waren, sind und bleiben bei der Einreise vorsichtig. Diese neu entdeckte Variante besorgt uns, daher handeln wir hier proaktiv und frühzeitig. Das letzte, was uns jetzt noch fehlt, ist eine eingeschleppte neue Variante, die noch mehr Probleme macht.“

Maschine landet in München in „abgesperrtem Bereich“
Ein Flugzeug aus Südafrika, das in Kürze in München eintreffen soll, wird laut bayerischem Gesundheitsministerium in einem abgesperrten Bereich des Flughafens landen. Die Passagiere, die das Flugzeug in München als Ziel-Destination verlassen, unterliegen demnach einer Testpflicht. Damit wird für jeden Einreisenden ein PCR-Test verpflichtend. Zudem müssen alle einreisenden Passagiere wegen des Ansteckungsverdachts in eine 14-tägige Quarantäne, auch wenn der Test negativ oder die Person immunisiert sein sollte.

Die Regierung von Oberbayern und das zuständige Landratsamt stellen dafür Unterbringungsmöglichkeiten für alle Reisende ohne Wohnsitz oder Quarantänemöglichkeit in Bayern zur Verfügung. Personen, die sich in den letzten 10 Tagen in einem der ausgewiesenen Virusvariantengebieten aufgehalten haben, werden gebeten, sich umgehend PCR-testen zu lassen und ihre Kontakte zu reduzieren.

WHO wollte neue Reisebeschränkungen vorerst vermeiden
Zuvor hatte die WHO allerdings vor Reisebeschränkungen gewarnt. Sie empfehle den Ländern, „weiterhin eine risikobasierte und wissenschaftliche Herangehensweise bei der Verhängung von Reisebeschränkungen anzuwenden“, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier in Genf. Die Staaten könnten auch ohne solche Einschränkungen eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung von neuen Varianten einzudämmen.

Dazu gehörten die genaue Beobachtung des Infektionsgeschehens und die Genanalyse von auftretenden Corona-Fällen. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es Vorbehalte gegen Reisebeschränkungen, so Lindmeier während einer Pressekonferenz und verwies auf die entsprechenden bisherigen WHO-Empfehlungen. Demnach sollen Corona-Maßnahmen den internationale Verkehr nicht unnötig behindern und Reisende nicht automatisch als Verdachtsfälle eingestuft werden. Lindmeier betonte, bekannte Mittel wie Masken, Handhygiene, Frischluft und das Vermeiden von Menschenmengen seien auch gegen B.1.1.529 wirksam.

Drosten sieht noch Forschungsbedarf bei der Gefahr durch die Virusvariante
Auch der Berliner Virologe Christian Drosten sieht noch viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. Für eine veränderte Krankheitsschwere gebe es derzeit keine Hinweise.

Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte. „Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, erklärte der Virologe von der Berliner Charité. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.

Auch andere Länder haben Einreisen beschränkt
Auch Österreich und Großbritannien haben aber schon zuvor ihre Einreise-Vorgaben verschärft. Die Niederlande lassen ab heute Mittag gar keine Flugzeuge aus dem südlichen Afrika landen. Italien verbietet die Einreise von Menschen, die in den vergangenen 14 Tagen in Ländern im südlichen Afrika waren. Ähnliches kündigte Tschechien an.

Die Lufthansa lässt aber ihre Verbindungen nach Südafrika vorerst weiter im Programm. „Wir beobachten die Situation sehr aufmerksam“, sagte ein Lufthansa Sprecher. Die Kernmarke Lufthansa fliegt derzeit 17 mal pro Woche nach Südafrika, die Schweizer Töchter Swiss und Edelweiss bieten zusammen neun Verbindungen an. Auch Frachtflüge von Lufthansa Cargo werden weiter betrieben.

Südafrika nennt Reisebeschränkungen „unberechtigt“
Auf EU-Ebene wird jetzt aber sogar über die komplette Einstellung des Flugverkehrs nachgedacht. „Die Kommission wird in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten vorschlagen, die Notbremse zu aktivieren, um den Flugverkehr aus dem südlichen Afrika aufgrund der besorgniserregenden Variante B.1.1.529 einzustellen“, twittert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Davon betroffen sind Botsuana, Swasiland, Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Simbabwe, wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel nach einer Sondersitzung der EU-Staaten aus Diplomatenkreisen erfuhr.  Der südafrikanische Gesundheitsminister Joe Phaahla nannte die Reisebeschränkungen „unberechtigt“. Bisher sei es unklar, ob die Variante B.1.1.529 ansteckender sei als andere Varianten, sagte er auf einer Pressekonferenz.

Britischer Forscher rechnet mit geringerer Wirksamkeit der Impfungen
Erste Erkenntnisse in Großbritannien legen das aber nahe. Die derzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe sind nach Ansicht eines britischen Experten „fast sicher weniger effektiv gegen die im südlichen Afrika entdeckte neue Variante B.1.1.529.“ Das sagte James Naismith, Professor für Strukturbiologie an der Universität Oxford, in der Radiosendung BBC 4 Today am Freitag.

Ob die Variante auch leichter übertragbar sei, könne anhand der vorliegenden Daten bislang noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. „Wir vermuten das und es gibt einige frühe Daten“, fuhr Naismith fort. Sollte sich eine leichtere Übertragbarkeit bestätigen, sei es unvermeidlich, dass die Variante auch nach Großbritannien gelange, so der Experte weiter.

Wissenschaftlerin: Besorgniserregendste Variante bisher
Die Wissenschaftlerin Susan Hopkins vom Imperial College in London bezeichnete die neue Variante als „die besorgniserregendste, die wir je gesehen haben“. Die in Südafrika bislang festgestellte Übertragungsrate (R-Wert) liege bei 2. Das ähnele den Werten zu Beginn der Pandemie, so Hopkins im BBC-Radio. Noch seien aber mehr Daten notwendig, um zu einer abschließenden Bewertung zu kommen.

BioNTech prüft Wirksamkeit seines Impfstoffes gegen neue Variante
Der Impfstoff-Hersteller BioNTech prüft jetzt, ob sein Corona-Vakzin auch gegen diese neue Virus-Variante wirkt. „Spätestens in zwei Wochen erwarten wir weiterführende Daten aus den Labortests“, teilte BioNTech mit. Diese Daten würden Aufschluss darüber geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich sei.

Die Variante B.1.1.529 unterscheide sich deutlich von den bisher beobachteten Corona-Viren. Sie weise zusätzliche Mutationen im Spike-Protein auf, das charakteristisch für Coronaviren ist. BioNTech und sein US-Partner Pfizer hätten schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer resistenten Variante den mRNA-Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern. – BR

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