Mo. Okt 14th, 2024

Eichstätt (upd) – Weg von einer reinen Fokussierung auf Übernachtungszahlen hin zu einem integrativen Verständnis von Reiseziel, Standort und Lebensraum – dafür plädiert der Lehrstuhl Tourismus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) gemeinsam mit Tourismus NRW, dem touristischen Dachverband von Nordrhein-Westfalen. In Kooperation mit Tourismus NRW haben Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Harald Pechlaner und sein Team bei einer großen Fachtagung die Potenziale eines solchen Umdenkens zur Diskussion gestellt – unter dem Titel „Auf dem Weg zu einem Ökosystem der Gastlichkeit“. Die Ergebnisse der Diskussionen und weitere Impulse sind nun in einem Sammelband erschienen.

Gerade die urbanen Zentren seien Magnete und Keimzellen für Veränderungen: Neue Trends und Technologien, innovative Entwicklungen und kreative Kooperationen eröffnen Politik, Wirtschaft und Stadtplanung in Vernetzung mit dem Tourismus neue Chancen, bringen zugleich jedoch auch Herausforderungen mit sich. Darunter fallen mitunter veränderte Ansprüche an Mobilität und (digitale) Infrastruktur, smarte wie mobile Arbeits- und Lebensmodelle sowie nicht zuletzt die Frage nach der Gestaltung und Bedeutung von Nachhaltigkeit, Kultur und urbaner Atmosphäre. Die größte Herausforderung jedoch ist für die Städte und Metropolen die Einbindung des ländlich geprägten Umlandes in die integrative Entwicklung von Lebenswelten für die Bewohner und Erlebniswelten für die Besucher. Die Geschäftsführerin von Tourismus NRW, Heike Döll-König, sieht in den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Tourismus eine Chance zu dessen Neubestimmung unter Gesichtspunkten der Resilienz. „Wir plädieren für ein neues Maß der touristischen Wertschöpfung“, so Heike Döll-König, „nicht nur als Generator für Übernachtungen, sondern besonders in Städten als Motor der Lebensqualität“. Professor Pechlaner ergänzt: „Es wird deutlich: Um auch in Zukunft Gäste, (neue) Bewohnerinnen und Bewohner, Start-Ups und Unternehmen von einem Standort überzeugen zu können, sind branchen- und strukturübergreifende Ansätze sowie ein neues Raumdenken unabdingbar“, so Pechlaner.

Doch diese Veränderungsprozesse müssten sowohl in urbanen als auch ländlichen Räumen berücksichtigt werden. Städte würden sich nicht erst seit der Pandemie in Transformation befinden. Die Herausforderung bestehe hier in der Optimierung bestehender Strukturen. So ergeben sich z.B. Potentiale in der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, im Leerstandsmanagement, bei der Entwicklung von Grünflächen und Freiräumen oder beim Ausbau des Kulturangebotes. Pechlaner betont: „Städte sind dann der Lebensraum der Zukunft, wenn es ihnen gelingt, den ländlichen Raum in die Freizeitplanung mit einzubinden, weil ansonsten eine sinkende Akzeptanz auf beiden Seiten die Folge sein würde, weswegen nun innovative Konzeptideen sowie bürgerliche Partizipation gefragt sind. Der Druck auf die ländlichen Räume steigt. Die hohe Lebensqualität kommt an ihre Grenzen, weil sie für breite Bevölkerungsteile nicht mehr finanzierbar ist. Das ist auch für die Städte eine gefährliche Entwicklung. „Wir brauchen ein neues Verständnis von Tourismus. Spätestens die Pandemie hat uns gezeigt, dass es kein Weiter-wie-bisher geben kann. Wertschöpfung und Wertschätzung sind aus dem Gleichgewicht geraten“, sagt Prof. Harald Pechlaner. Daher muss der traditionelle Stadt-Land-Gedanke überwunden werden.

Die diesjährigen Eichstätter Tourismusgespräche am 28. Juni widmen sich daher der zentralen Frage: Stirbt der Tourismus im ländlichen Speckgürtel der Metropolen?“. Der nun erschienene Sammelband beschränkt sich nicht auf Nordrhein-Westfalen als Kooperationspartner der zugrundeliegenden Fachtagung, sondern versammelt internationale Impulse. Unter den insgesamt 37 Autorinnen und Autoren findet Expertise diverser Branchen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Italien und Wales/Großbritannien. Anhand verschiedener Destinationen werden zudem konkrete Best-Practice-Beispiele dargelegt.

Im Bereich Kultur und Kreativität stellen Tourismus NRW und der Tourismusverband Linz ihre Konzepte vor. Die Stadt Zürich legt ihr Vorgehen für internationale Wettbewerbsfähigkeit dar und anhand des Alpe Adria Radwegs rücken Schnittstellen zwischen Stadt und Land in den Fokus. Die Themen Lebensqualität und nachhaltige Visitor Economy werden anhand des Beispiels der Smart City Wien präsentiert, im Bereich Wellbeing wird die Destination Bozen als Best Practice vorgestellt. Mit einem Beitrag zur regionalen Resilienz ist auch die Region Ingolstadt als Vergleichsgröße aufgeführt. – Katja Ossiander, KU Eichstätt-Ingolstadt

Weitere Informationen zu Fragen von Transformationsformationsprozessen an der Schnittstelle von Tourismus, Standort- und Stadtentwicklung sowie zur erschienenen Publikation „Towards an Ecosystem of Hospitality – Location:City:Destination“ finden sich unter www.ku.de/tourismus.

 

(Foto Professor Pechlaner: upd)

Kommentar verfassen