Mo. Dez 2nd, 2024

Ist es die Liebe zum Produkt, die Liebe zum Geschäft oder die Liebe zur Eigenständigkeit… – in Neuburg gibt es drei schon sehr alte Einzelhandelsgeschäfte, die mit dem Bild der Stadt untrennbar verbunden sind. Die Rede ist von den Geschäften Korbwaren Ober, Woll-Häusler und dem kleinen Tante-Emma-Laden (der eigentlich noch nie irgendeinen Geschäftsnamen hatte – hier kaufte man eben seinen Schokoriesen als Kind und heute fürs Kind…) an der Ecke zum Studienseminar/Gymnasium… Ja, das sind sehr alte Geschäfte und hinter den Eingangstresen stehen gestandene Persönlichkeiten – für Brennessel einer von vielen Gründen eine Hommage auf die Tüchtigkeit und Beständigkeit alter Werte zu verfassen.Korbwaren Ober seit 1924

„Mein Vater Josef Ober war Korbflechter und kam aus Abensberg. Er hat in Neuburg meine Mutter Babette kennengelernt. Er hat sie sehr geliebt und dann haben sie geheiratet. Das war noch vor dem Krieg – mein Vater wurde in beiden Kriegen zum Kriegsdienst eingezogen. Gegenüber vom Neuwirt hat er mit seinem Geschäft angefangen. Irgendwann ist dann das Haus in der Blumenstraße frei geworden.

Das war eine ehemalige Landwirtschaft und hat dem damaligen Bürgermeister gehört. Damals gab es in der Straße mehrere Geschäfte; einen Schuster, ein Lebensmittelgeschäft… Eigentlich habe ich seit ich denken kann in unserem Korbgeschäft mitgearbeitet. Übernommen habe ich das Geschäft von meiner Mutter Babette – das war 1976. Natürlich habe ich Korbflechterei gelernt. Im Krieg sind wir von den Nazis zwangsverpflichtet worden Körbe für die Bomben zu flechten. Da hat der Vater extra drei Frauen anstellen müssen, damit wir das schaffen konnten. Es war aber trotz allem eine gute Zeit, weil wir alle zusammen geholfen haben. Wir waren ja keine Nazis net…

Mit dem Geschäft geht es auf jeden Fall weiter – wir sind schließlich das einzige Korbwarengeschäft weit und breit und legen sehr viel Wert auf Qualität. Wir vertreiben nur Korbwaren aus Europa und nicht aus Fernost. Ich denke heute nicht mehr viel an die schlechten, sondern viel mehr an die guten Zeiten. Wir haben es hier so schön und es ist so gemütlich…“ erzählt Edeltraud Ober. Wir bedanken uns bei der über 80jährigen für die Gastfreundschaft und wünschen ihr Gesundheit und Glück; und…, dass das Korbwarengeschäft Ober auch in Zukunft die Blumenstraße in Neuburg bereichert!

 

Obst und Lebensmittel (Tante-Emma-Laden) Neuburg seit 1927

Dieses uralte Neuburger Geschäft hat keinen Namen und trotzdem kennt es wohl jeder Neuburger, ob groß oder klein, ob alt oder jung. Dieses Neuburger Geschäft hat uns alle glücklich gemacht – bekommt man doch da an der Ecke gegenü- ber dem ehemaligen Mazedonia (Nähe Studienseminar) alles, was ein Kind sich wünscht. „Unser Geschäft wurde 1927 gegründet. Erst haben meine Eltern das Geschäft betrieben, bevor ich es vor 60 Jahren übernommen habe. Zu Beginn war unser Laden ein sogenannter Kolonialwarenladen (zwischendurch kommen immer wieder Kinder ins Geschäft und wollen Kaubonbon oder Katzen und Mäuse oder Fruchtschlangen – das ist lustig). Nachdem die großen Supermärkte in Neuburg eröffneten spezialisierte ich mich auf Obst und Süßigkeiten. Natürlich gab es nach dem Krieg sehr magere Zeiten mit den Lebensmittelmarken oder nach der Währungsreform mit den 40 Mark pro Monat. Normalisiert hat sich der Geschäftsbetrieb ab 1950. Die Menschen hatten wieder mehr Geld in der Tasche. Wie alt ich bin möchte ich in unserem Gespräch nicht sagen. Ich möchte nur sagen, dass ich solange weitermache, solange der Verstand es erlaubt und solange es sich noch einigermaßen rentiert (und schon wieder suchen sich zwei Kinder Süßigkeiten aus… – das dauert…).

Gries und Zucker kannst du heute nicht verkaufen – meine Kunden sind die Kinder! Am besten gehen meine Sachen von 5 Cent aufwärts… Der Vorteil in meinem Geschäft ist die lose Ware. Bei mir kann man die süßen Sachen einzeln kaufen – nicht in fertigen Tüten. Aber glauben sie nicht, dass bei mir nur Kinder einkaufen – bei mir kaufen auch ganz viele Erwachsene. Gut laufen tun bei mir auch die Getränke. Die Asylanten zum Beispiel kaufen am ersten und am 15ten oft Getränke… Was mir auffällt ist, dass die Kinder eigentlich immer ein bisschen Geld in der Tasche haben. Wenn ich nicht mehr bin wird es in meinem Geschäft keinen Nachfolger mehr geben. Mit mir endet dieser Geschäftsbetrieb. Eigentlich wollte ich einmal Lehrerin werden, aber meine Mutter hat gesagt ‚Du gehst in den Laden!‘ – und jetzt stehe ich immer noch hier. Ich selbst habe keine Kinder – ich war nie verheiratet. Was ich Ihnen aber sagen kann ist, dass ich mein Geschäft sehr liebe und ich liebe die Kinder, die bei mir einkaufe

Woll-Häusler seit 1934

„1934 hat meine Mutter dieses Geschäft gegründet. Da war ich 9 Jahre alt – Korbwaren Ober gab es da bereits. Als ich in den Kindergarten ging, da ging ich gemeinsam mit der heutigen Frau Ober in den Kindergarten. Unser Geschäft Woll-Häusler war schon immer an diesem Platz. 1943 bin ich von der Oberschule direkt in den Kriegsdienst eingezogen worden und 1948 bin ich aus der Gefangenschaft heimgekehrt. Zum Glück hatten die Bomben auf Neuburg meine Mutter und das Haus verschont. Direkt um uns herum sind mehrere Häuser dem Bombenhagel zum Opfer gefallen. Wegen der Währungsreform waren leider alle unsere Ersparnisse weg und ich hatte zudem keine Ausbildung, da ich ja die Oberschule nicht abschließen konnte und in der Gefangenschaft keine Ausbildung ableisten konnte. Also blieb mir nur das Geschäft übrig.

Als meine Mutter um 1960 verstarb übernahm ich das Geschäft und führte es weiter. Dann lernte ich meine Frau kennen. Aus unserer Ehe gingen fünf Kinder hervor. Meine Frau wurde mit den Jahren zum Rückgrat unseres Geschäftes – sie ist bewandert in all’ den Handarbeiten, die hier gefragt sind; kann unsicheren Kunden weiterhelfen und begutachtet die gelieferte Ware sehr präzise und fachkompetent. Selbstverständlich war die Zeit nach dem Krieg sehr hart. Es wurde nichts weggeworfen. Man hat damals Stoffstücke wieder aufgetrennt und die Wolle und Garne wiederverwendet. Natürlich haben wir von dem Boom der Nachkriegszeit profitiert. Nahezu jede Familie strickte und fertigte sich ihre Anziehsachen selbst. Für mich als Mann war die Buchhaltung und die Logistik der Warenbeschaffung die Aufgaben. Meine Frau betreut bis heute das Geschäft und die Kundschaft. Diese Aufteilung hat sich bis heute bezahlt gemacht. Ich habe es nie bereut mich für dieses Geschäft zu engagieren. Wir haben gute Zeiten gehabt und erleben diese gute Zeiten noch heute. Das was wir heute tun macht uns Spaß und wir werden es wohl noch ein paar Jahre betreiben. Meine Leidenschaften hingegen gelten anderen Dingen, wie zum Beispiel der Zeitgeschichte… Dieses Geschäft aber gibt uns den Raum und den Rückhalt, den wir brauchen, um uns für andere Hobbys überhaupt interessieren zu können.“

Noch nie hat mir das Verfassen eines Artikels so viel Freude gemacht wie bei dieser Reportage. Denn auch ich war Kunde von dem Tante-Emma-Laden oder besorgte einen Korb für meine Mutter zum Geburtstag oder schenkte Wollbündel, weil meine Mutter über viele Jahre den Kindern und Enkeln die Pullover strickte. Und wenn ich heute für meine Kinder ein besonderes Geschenk brauche – dann gehe ich in einen dieser Läden und kaufe‚ lose Ware‘, Körbe oder Wolle… Etwas Schöneres wird es wohl in Neuburg nie mehr geben…
HERZLICHEN DANK!!

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